Mailand. Thomas Müller muss sich vor dem Duell der Bayern in Dortmund Kritik gefallen lassen

Ein Phänomen erklären zu wollen, ist nicht einfach. Hermann Gerland hat das einmal versucht. Der Nachwuchsentdecker der Bayern sprach damals über einen jungen Mann, der gerade dabei war, die Fußballwelt für sich zu gewinnen. Es ging um diesen komischen Thomas Müller, der plötzlich einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde, weil er mit seinen dünnen Beinchen seine ersten Schritte in der Liga wagte und sogar Tore schoss. Lustige, listige Tore mitunter. Manchmal unterstellte man Müller dann, dass er auch häufig einfach Glück gehabt habe.

Gerland kennt Müller schon lange, er hat ihn entdeckt und gefördert. Also sprach er: „Immer Glück ist Können.“ Das ist ein schöner, vermutlich auch wahrer Satz. Doch in diesen kühlen Novembertagen, in denen auch noch das Spitzenspiel der Bundesliga ansteht, ist dem 27-Jährigen plötzlich das Glück abhandengekommen.

In Mailand beim Duell der deutschen Mannschaft mit Italien wurde der Nationalspieler, der überall auf der Welt größte Sympathiewerte genießt, von allen am lautesten ausgepfiffen. Grund dafür: seine vermeintlich abschätzigen Aussagen über die Qualität des san-marinesischen Fußballs nach dem 8:0-Sieg beim Außenseiter. Unglücklich formuliert, unglücklich von den Medien transportiert vermutlich auch.

Das wäre gar nicht so bemerkenswert, wenn der fast zur Staatsangelegenheit stilisierte Vorfall nicht mitten hineinfiele in eine Zeit, in der sein Spiel so angestrengt wirkt. Beste Chancen ließ er auch gegen San Marino und Italien ungenutzt. Kein Drama einerseits. Andererseits: Diese Diskussionen hätte er sicher gern mit ein paar Törchen beendet.

Es gibt Menschen rund um den FC Bayern München, die Müllers derzeit schwere Phase mit dessen verschossenem Elfmeter gegen Atlético Madrid im Halbfinale der Champions League vergangene Saison in Verbindung bringen. Seitdem hat er in 17 Münchner Pflichtspielen drei Tore für die Bayern erzielt. Keines in der Nationalmannschaft bei der EM, keines in der Bundesliga.

Am Sonnabend (18.30 Uhr) geht es nun an einen Ort, der gerade für Spieler des FC Bayern eigentlich nicht sonderlich heimelig wirkt. In Dortmund kommt es zum Duell der nationalen Größen. Müller sagt, dass er sich auf die Partie freue. „In Dortmund – das ist immer das schönste Spiel des Jahres“, behauptet der Torjäger.

Den Standort Dortmund hat er in guter Erinnerung. Als er dort 2009 erstmals als Profi spielte, gewannen die Bayern mit 5:1. Thomas Müller schoss seine ersten beiden Bundesliga-Tore. Und die Menschen fragten sich, wer das wohl sei. Antwort: der mit dem Können zum Glück. Eigentlich.