Mailand. In der Bundesliga soll der TV-Schiedsrichter nächstes Jahr testweise eingeführt werden

Höhere Mächte sind wichtig. Fußballer, auch Nationalspieler, wissen das. Darum versuchen manche mit zum Teil irrwitzigen Ritualen vor dem Anpfiff die kosmischen Kräfte milde zu stimmen. Die übergeordneten Instanzen, um die es einen Tag vor dem deutschen Länderspiel gegen Italien ging, waren jedoch andere, unbestechliche. Bei der Neuauflage des zurückliegenden EM-Viertelfinals wird – eher im Verborgenen – ein wenig Fußballgeschichte geschrieben wird. Erst zum zweiten Mal, erstmals mit deutscher Beteiligung, kommt in einem Länderspiel ein Video-Schiedsrichter zum Einsatz. Eine regulierende Kraft also, die eingreift, wenn die Dinge da unten auf dem Rasen aus dem Ruder laufen. Dadurch sollen in Zukunft gravierende Fehlentscheidungen vermieden werden. Die internationale Premiere hatte es beim Länderspiel zwischen Italien und Vizeeuropameister Frankreich (1:3) Anfang September gegeben. Zwei Entscheidungen waren damals korrigiert worden.

Das Projekt des Weltverbandes Fifa ist noch frisch und befindet sich in der Probephase. Es sieht vor, dass ein ausgebildeter Schiedsrichter die Partie in einem speziellen Raum auf Monitoren schaut und via Funkverbindung möglichst sofort Einfluss nehmen kann. Entweder aktiv, wenn ihm eine potenziell spielentscheidende Szene (Elfmeter, Rote Karte, Fouls vor Toren) auffällt, die der Hauptschiedsrichter übersehen hat. Oder passiv, wenn er vom Hauptschiedsrichter zu Rate gezogen wird. Beides ist möglich, beides soll möglichst schnell gehen. „Aber mit 15 bis 20 Sekunden Verzug sind wir fast schon am Limit“, sagt der ehemalige Fifa-Schiedsrichter Hellmut Krug (60), der das Projekt in Deutschland begleitet. Dort werden an jedem Bundesliga-Wochenende die Unparteiischen in einer Art nicht-öffentlichem Test geschult, ihre Entscheidungen schnell und richtig zu treffen. „Sicherheit geht vor Schnelligkeit“, sagt Krug. Zur Saison 2017/2018 soll die Technologie in der Bundesliga Testweise eingeführt werden.

Es sei aber „schwierig herauszufiltern, was eine völlig falsche Entscheidung ist. Man muss erst ein Gefühl für die Szenen entwickeln. Es ist nicht so einfach umsetzbar“, warnt Krug. Die Video-Schiedsrichter müssen klare Qualifikationen aufweisen. In Deutschland werden es laut Krug zunächst „nur Bundesliga-Schiedsrichter“ sein.