Rom/Mailand. Der olympische Torschützenkönig trifft auch bei seinem DFB-Debüt in Serie. An diesem Montag geht es für den Bremer zur Audienz

Dort, wo die Gladiatoren der Antike kämpften, stehen die Gladiatoren der Gegenwart maximal gelassen. Um den Hals tragen sie diese modischen Schals, mit denen man den Ort, an dem sie sich befinden, das Kolosseum in Rom, vermutlich verhüllen könnte, und auf dem Kopf nicht minder modische Mützen oder Kappen. Es ist ein hübsches Gruppenbild, zu dem sich die deutschen Nationalspieler am Sonntag an historischer Stelle aufreihten. Der ewige Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem Testspiel gegen Italien in Mailand am Dienstag (20.45 Uhr / ARD) zur weiteren Verbesserung des Kollektivgefühls in die Ewige Stadt geladen. Ablauf: Stadtrundfahrt am Sonntag, Papstaudienz am Montagmorgen.

Ein Termin, der echte Vorfreude und gespielte Besorgnis auslöst. „Ich hoffe, er reißt mir nicht den Kopf ab“, sagt Mario Götze, Schütze des entscheidenden Tores im WM-Finale 2014 gegen Argentinien. Papst Franziskus ist Fußballfan. Und Argentinier. Zwischenfälle sind nicht ernstlich zu erwarten, sodass der Reisegruppe ein großer Moment bevorsteht. Oder wie man im Leben von Serge Gnabry wohl derzeit sagen müsste: ein Tag wie jeder andere.

Dem Profi von Werder Bremen widerfahren die Besonderheiten in den vergangenen Wochen in einer atemberaubenden Zuverlässigkeit. Als vorläufiger Höhepunkt darf der vergangene Freitag gewertet werden, an dem er sein Debüt im nationalen Dienst feierte – und wie selbstverständlich drei Tore erzielte. Das hat es erst fünfmal in der deutschen Länderspielgeschichte gegeben, zuletzt vor 40 Jahren, als der Kölner Dieter Müller im EM-Halbfinale 1976 gegen Gastgeber Jugoslawien den Sieg bei seiner Premiere herausschoss. Gnabrys Bühne war nun deutlich weniger prominent und der Gegner eben nur das bemühte Ballwegtreter-Ensemble San Marinos. Aber die historische Komponente bleibt. Und der Eindruck, dass da gerade jemand seiner Karriere eine Flughöhe verleiht, die vor sechs Monaten nicht einmal zu erahnen war.

„Olympia war für mich ausschlaggebend dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist“, sagt der 21-Jährige. „Davor war es schwer für mich. Ich hatte keine Spielzeit.“ Davor, das war die Zeit beim FC Arsenal. Premier-League-Debüt mit 17, aber ansonsten kaum Einsätze. Im Sommer entschied sich der Schwabe, mit der deutschen U-23-Mannschaft nach Rio zu reisen. Mit sechs Treffern wurde er Torschützenkönig. Werder holte den Offensivmann in den Norden, wo er seither überragt: vier Tore, zwei Vorlagen bisher.

Weiterhin halten sich die Gerüchte, dass der FC Bayern München seine Finger im Spiel gehabt und den Spieler nur dort geparkt habe, um auf den fußballerischen Renteneintritt Franck Ribérys (33 Jahre) und Arjen Robbens (32) vorbereitet zu sein. Das würde den Transfer plausibler machen: Gnabrys Perspektive war nach Rio bestens, Werders eher nicht so. So gar nicht. Für den Moment aber hat sich all das zu einem großen Zauber zusammengefügt.

„Drei Tore im ersten Spiel zu schießen ist sicher gut für sein Selbstbewusstsein und für seine Entwicklung. Egal, gegen welchen Gegner sie zustande gekommen sind“, sagt Joachim Löw. Ihm war es eine große Freude, dem Neuling zuzuschauen, verbreitete dieser doch jene ungebremste Abenteuerlust, die der Bundestrainer bei seinen langjährigen Angestellten mitunter schon vermisst hat, wenn es darum ging, vielbeinige Abwehrketten aufzusprengen. Jenes entschlossene Draufgängertum bringt der Deutschivorer mit. Er zaudert nicht, er schießt und trifft. Damit taugt er womöglich schon bald als ernst zu nehmende Konkurrenz für jene, die sich sonst im seitlichen Offensivbereich besonders wohlfühlen: die Dortmunder Marco Reus und André Schürrle oder der Wolfsburger Julian Draxler.

Vermutlich aber ist Besonnenheit im Umgang mit dem Geschehenen noch ratsam. Nun folgt erst mal die letzte Partie des Jahres gegen Italien. Vielleicht weiß man hinterher ein wenig mehr, ob Gnabry ein Segen für die Nationalelf sein kann.