München. Der FC Bayern führt die Tabelle an, musste aber gegen Hoffenheim schon das dritte Unentschieden hinnehmen

Der Kapitän hatte eine perfekte Ausrede. „Heute nicht“, erklärte Philipp Lahm, als er am Sonnabend hurtig die Kameras und Mikrofone passierte und verfiel anschließend gar in den bayerischen Dialekt: „I hab ja net gespuit“. Mit dem Verweis, am 1:1 des FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim gar nicht beteiligt gewesen zu sein, verschwand er grinsend. Andere schüttelten lediglich den Kopf oder schoben einen dringenden Termin vor wie Arjen Robben. Nur Thomas Müller schien nichts einzufallen, wie er den Fragen ausweichen könnte, oder er verschwendete einfach keinen Gedanken daran zu kneifen. Er verließ sich auf seine Eloquenz, und die ist ihm ja tatsächlich nicht abhandengekommen – im Gegensatz zur Treffsicherheit vor dem Tor.

Der Angreifer fühlte sich offensichtlich mitverantwortlich dafür, dass sich die Bayern bereits zum dritten Mal in dieser Saison in der Bundesliga mit nur einem Punkt zufrieden geben mussten – obwohl an diesem Nachmittag nur Teilzeitkraft und mit seiner Einwechslung gut 20 Minuten vor dem Ende die beste Phase des Tabellenführers begann. „Die Scheiße klebt so ein bisschen an meinem Stiefel“, sagte er, nachdem er kurz vor Abpfiff die große Chance vergab, den Siegtreffer zu erzielen. Der mit 20 Toren in der vergangenen Saison zweitbeste Münchner Schütze in der Meisterschaft wartet in dieser Runde noch immer auf seinen ersten Treffer. Während es in der Champions League wenigstens schon zweimal geklappt hat, scheint er an einem Bundesliga-Syndrom zu leiden. Es nicht so, „dass man nachdenklich wird“, sagte der 27-Jährige, „aber jetzt gerade bin ich doch ziemlich schlecht gelaunt“. Für den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge gibt es einen Auslöser für die Müllersche Sinnkrise – und der passierte in der Champions League vor einem halben Jahr. „Es fällt natürlich schon auf, dass seit diesem verschossenen Elfmeter gegen Atletico Madrid irgendwo der Wurm drin ist und er Pech hat.“

Müller rückte am Sonnabend wegen seines Pfostenschusses aus kurzer Distanz in den Fokus, aber er ist nur ein kleiner Teil der Münchner Probleme in dieser Saison. Der Branchenprimus zeigt zum ersten Mal seit dem Triple-Jahr Verschleißerscheinungen. Die Gier scheint nachgelassen zu haben. Tatsächlich gibt es für das, was die Münchner da vor allem in der ersten Halbzeit spielten, in Bayern das Wort „lätschert“, was so viel bedeutet wie antriebslos, matt oder schlapp. Nach den vier intensiven Jahren unter den Antreibern Jupp Heynckes und Pep Guardiola war beim Rekordmeister am Sonnabend nicht zum ersten Mal ein erstaunlicher Spannungsabfall zu beobachten.

Trainer Carlo Ancelotti spielte die schwache erste Halbzeit etwas herunter. Er nannte es „ein paar Schwierigkeiten“, weil sich die Mannschaft „nicht so gut aus dem Pressing der Hoffenheimer befreien“ konnte. Außerdem ist die richtige Balance nach dem Trainerwechsel auf dem Platz verloren gegangen. Vielleicht hängt das eine mit dem anderen zusammen, jedenfalls wirken die Münchner bei gegnerischen Angriffen oft überrascht und dementsprechend ungeordnet. Nur in einem der letzten neun Pflichtspiele blieben sie ohne Gegentor.

Die Führung der TSG durch den vor der Saison für 1,7 Millionen Euro vom HSV in den Kraichgau verscherbelten Kerem Demirbay nach einem langen Ball von Kevin Vogt sei „ein Paradebeispiel“ dafür gewesen, sagt Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann, „wie wir es machen wollten“. Und vor allem eines, wie es gegen die Bayern funktioniert. „Die meisten stellen sich hier hinten rein“, hat er erkannt. Aber längst nicht mehr so viele wie früher.

Hoffenheim macht es vor: Mut gegen die Bayern wird belohnt

Es hat sich herumgesprochen in der Branche, dass Mut gegen den Serienmeister belohnt wird. Dass der Ausgleich nach einem der wenigen guten Bayern-Angriffe in der ersten Hälfte durch ein Eigentor von Steven Zuber fiel, ärgerte Nagelsmann nicht. Seine Spieler, hob er auch hervor, dürften Fehler machen. „Ich bin eher sauer, wenn wir wie der Hase vor der Schlange auftreten und nichts probieren.“ Am Sonnabend war seine Mannschaft jedenfalls lange Zeit eher Schlange als Hase.