HAmburg. Beim 0:3 gegen Eintracht Frankfurt präsentierten sich die desolaten Hamburger wie ein Absteiger

Kurz vor dem Ende konnten es die gut gelaunten Frankfurter einfach nicht lassen: „Zweite Liga, oh, wie ist das schön, euch nie mehr zu sehen!“, sangen die Eintracht-Fans, die sich nicht nur über ihren hochverdienten 3:0-Auswärtserfolg freuten, sondern den Triumph zusätzlich mit einer ganzen Prise Hohn und Spott garnieren mussten: „Absteiger! Absteiger“, hallte noch durch den Volkspark, ehe Schiedsrichter Günter Perl drei Minuten später ein Einsehen mit den wenigen verbliebenen HSV-Fans hatte und die Partie pünktlich nach 90 Minuten abpfiff. Null. Zu. Drei. Was für eine Blamage! Was für ein erschütternder Auftritt!

Zu diesem Zeitpunkt war es selbstverständlich auch längst vergessen, dass Stadionsprecher Lotto King Karl noch kurz vor dem Anpfiff für lautstarken ­Jubel gesorgt hatte, als er die Startaufstellung verlas und die Fans erstmals überhaupt auf den Halbsatz „Mit der Nummer 23 Alen …“ mit einem lang gezogenen „… Haaalilovic“ antworten konnten. Der kleine Kroate, der bislang erst 92 Saisonminuten spielen durfte, sollte die zuletzt seit 482 Minuten (!) torlose HSV-Offensive neu beleben – so zumindest der theoretische Plan von Neu-Trainer Markus Gisdol.

In der Praxis dauerte es dann handgestoppte 50 Sekunden, ehe Halilovic durch einen unachtsamen Fehlpass die ohnehin zuletzt so gefährliche Eintracht-Offensive, die zunächst ohne Top-Torjäger Alex Meier antrat, belebte. Doch der erste Konter des Spiels sorgte für keine Gefahr – genauso wenig wie der erneut völlig harmlose HSV-Angriff. Das vielsagende Torschussverhältnis nach 30 Minuten: null zu null.

Nach 34 Minuten war es dann aber doch so weit: der erste HSV-Torschuss – und der war auch direkt drin. Der einzige Haken an der Geschichte: Lewis Holtby, der den Ball nach einem schlampigen Anspiel von Aushilfs-Innenverteidiger Albin Ekdal kurz zuvor verloren hatte, traf aus zwei Metern vor dem einschussbereiten Mijat Gacinovic ins eigene Tor zum hoch verdienten 0:1.

Als Schiedsrichter Perl gut zehn Minuten später zur Halbzeit pfiff, sollte sich zu Holtbys Fauxpas kein weiterer HSV-Torschuss gesellen. Die desaströse Halbzeitbilanz: 0:8 Torschüsse, 45:55 Prozent gewonnene Zweikämpfe und am schlimmsten: 0:1 Tore. Ein lautstarkes Pfeifkonzert der 52.258 Zuschauer war die verdiente Quittung für die in dieser Saison schwächste Leistung.

Das Schöne am Fußball ist ja aber bekanntlich, dass ein Spiel nicht 45, sondern 90 Minuten dauert. Trainer Gisdol reagierte also und brachte im zweiten Durchgang Stürmer Bobby Wood für den enttäuschenden Halilovic. Zur Erinnerung: Eben jener Wood war es, der sich bislang als einziger Hamburger in die Torschützenliste der Bundesliga eintragen konnte. Doch wirklich torgefährlicher wurde die offensivschwächste Mannschaft der Bundesliga, die sich auch schon im letzten Spiel in Mönchengladbach keine einzige Torchance erspielen konnte, dadurch nicht.

Im Gegenteil. Es dauerte weitere zehn Minuten, ehe Trainer Gisdol erneut reagierte und für den angeschlagenen Emir Spahic mit dem früheren Frankfurter Luca Waldschmidt Angreifer Nummer drei brachte. Erstaunlich war der Wechsel vor allem deshalb, weil der HSV somit fortan mit drei Stürmern, aber ohne gelernten Innenverteidiger weiterspielte. Doch es kam noch schlimmer: So dauerte es nur wenige Sekunden, ehe aus der provisorischen Viererkette ohne Innenverteidiger eine provisorische Dreierkette ohne Rechtsverteidiger wurde. Denn nur einen Tag nach seinem 27. Geburtstag musste Dennis Diekmeier nach zwei Foulspielen (und zwei Gelben Karten) an Bastian Oczipka mit Gelb-Rot runter (57.).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde aus dem ohnehin schwächsten Saisonauftritt ein Debakel mit historischem Ausmaß. Schon vor der Partie hatte der schlechteste Saisonstart aller Zeiten festgestanden – und dass diese Bilanz des Grauens auch an diesem Abend nicht mehr aufgehübscht wurde, dafür sorgte Shani Tarashaj mit seinem Tor zur 0:2-Vorentscheidung (60.).

Wer nun aber dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte, der irrte: Nur sieben Minuten nach seiner Einwechslung war es Haris Seferovic, der Hamburgs Heimblamage mit dem 0:3 perfekt machte (69.). „Wir ham’ die Schnauze voll“, sangen die HSV-Fans auf der Nordtribüne. Es folgten Bierduschen für die Medienabteilung des HSV und ein für den Rest des Spiels andauerndes Pfeifkonzert, das mit dem Schlusspfiff in einen lautstarken Orkan des Protests überging. Schlusswort von Nicolai Müller: „Ich habe keine Erklärung für das, was da heute passiert ist.“