17. Platz, zwei Punkte, seit acht Stunden kein Tor und mehrere Ausfälle. Vor dem Heimspiel gegen Frankfurt kann man sich viele Sorgen um den HSV machen – oder man lässt es einfach. Ein Stimmungsbericht

An der Adresse der Geschäftsstelle des HSV hat sich nichts geändert: Sylvesterallee 7, 22525 Hamburg. Erwähnenswert ist das vor allem deshalb, weil in den vergangenen Tagen zwischenzeitlich in Hamburg das Gerücht die Runde machte, dass der HSV seinen Hauptsitz vorübergehend in den Mittelweg 145 nach Hamburg-Pöseldorf verlegt habe. Dort sitzt seit zwölf Jahren ein ganz anderer Verein: Der Club der Optimisten e. V. „Wir sind überzeugt, dass es keinen Grund gibt, ängstlich auf Herausforderungen zu reagieren“, steht grau auf weiß auf der Homepage der Optimisten geschrieben. „Als bekennende Optimisten vertrauen wir unseren eigenen Stärken zur positiven Gestaltung unserer Lebensbedingungen.“

182 Frohnaturen haben sich in dem Verein der Idealisten zusammengeschlossen. HSV-Trainer Markus Gisdol, ein selbst ernannter „Optimist aus Überzeugung“, ist kein Mitglied. „Ich bin generell ein Optimist – und ich bin auch in der aktuellen Situation sehr optimistisch“, hatte der Schwabe vor Kurzem gesagt, nachdem er beim HSV bis zum Saisonende unterschrieben hatte. Drei Wochen, zwei Spiele, kein Sieg und kein Tor später sitzt Gisdol im Nebenraum der HSV-Geschäftsstelle in der Sylvesterallee 7 und ist vor allem eines: noch immer ziemlich optimistisch.

„Die Vorfreude ist sehr, sehr groß“, sagt Gisdol, als er auf das Spiel am Freitagabend gegen Eintracht Frankfurt (20.30 Uhr/Sky) angesprochen wird. 17. Platz, nur zwei Punkte und null Tore in den vergangenen acht Bundesligastunden? Null Problemo für den optimistischen HSV-Trainer. „Ich freue mich von meinem ersten Tag an auf mein erstes Heimspiel in diesem Stadion“, sagt Gisdol. Ein freundliches Lächeln, dann sogar ein demonstratives Grinsen. Und noch mal zum Mitschreiben: „Meine Vorfreude ist grenzenlos.“

Dabei gibt es vor Gisdols Heimspieldebüt mehr als genug Probleme, oder in Gisdols Sprech: Herausforderungen. Mit Cléber (Rotsperre) und Johan Djourou (Muskelfaserriss) fehlen dem HSV-Trainer zwei von drei Innenverteidiger, zudem bleibt der Einsatz des zuletzt kranken Lewis Holtby, der aber am Mittwochabend mittrainieren konnte, ungewiss. „Ich bin kein Freund des Jammerns“, kontert Gisdol, der nun ganz einfach mit Albin Ekdal als neuen Aushilfsverteidiger plant. „Das sollte man alles nicht zu hoch hängen.“

Manfred Baumann, ein Gründungsmitglied des Clubs der Optimisten, kann Gisdols positive Herangehensweise nur befürworten: „Mit dieser Grundeinstellung wird der HSV schnell wieder die Kurve bekommen.“ Der 76 Jahre alte Unternehmer ist nicht nur ein Optimist, sondern auch ein HSV-Anhänger der ersten Stunde. Mitte der 90er-Jahre war Baumann sogar mal als Nachfolger von Jürgen Hunke als HSV-Präsident im Gespräch. „Man kann nur gewinnen, wenn man auch an den Sieg glaubt“, sagt Baumann. „Bei Gisdol habe ich den Eindruck, dass er aus Überzeugung Optimist ist. Er wird dem HSV guttun.“

Wer stürmt? Wood, Lasogga oder sogar Waldschmidt?

Dem Spiel des HSV würde nach fünf Partien in Folge ohne eigenen Treffer vor allem ein Tor mal guttun. Und im Sturm, so könnten es zumindest Pessimisten umschreiben, hat der Neu-Hamburger die Wahl der Qual: Bobby Wood, der seit dem zweiten Spieltag auf einen Treffer wartet? Oder Pierre-Michel Lasogga, der sogar seit einem halben Jahr erfolglos auf ein Erfolgserlebnis hofft? Doch auch das alles: für Optimist Gisdol natürlich überhaupt kein Problem. Er habe nicht die Wahl der Qual, sondern die Qual der Wahl: Wood, Lasogga oder vielleicht sogar der in Testspielen so treffsichere Luca Waldschmidt? „Ich muss fast ein wenig schmunzeln, wenn eine Mannschaft von mir mit dem Problem des Toreschießens in Verbindung gebracht wird“, sagt Gisdol selbstbewusst. „Meinen Mannschaften konnte man bislang immer alles nachsagen, nur eines nicht: dass sie zu wenig Tore schießen. Wir werden das in den Griff bekommen, ganz sicher.“

Dabei stört den 47 Jahre alten Schwaben auch nicht weiter, dass mit Eintracht Frankfurt am Freitag eine der formstärksten Mannschaften in den Volkspark zu Besuch kommt. „Frankfurt hat zuletzt überzeugt, hat eine sehr gute Mannschaft, die in dieser Saison stabile Auftritte hingelegt hat“, lobt Gisdol, der aber im gleichen Atemzug betont, dass er trotz allem an einen Erfolg seiner Mannschaft glaubt: „Natürlich sind wir in der Lage, Eintracht Frankfurt zu schlagen.“ Kein vielleicht, kein Konjunktiv, kein möglicherweise. „Frankfurt hat eine starke Mannschaft. Aber wir wollen auch diesen Gegner packen.“

Manfred Baumann hätte es nicht besser formulieren können. „Ich bin davon überzeugt, dass der HSV noch eine sehr viel bessere Runde spielen wird als manch einer vermutet“, sagt der glühende HSV-Anhänger, dessen Sohn Maximilian, heute 35 Jahre alt, als Kind sogar in Club-Bettwäsche geschlafen hat.

Der Club der Optimisten geht noch einen Schritt weiter. „Wir schaffen die Rückkehr in die Spitzengruppe der internationalen Champions League“, steht auf der Homepage geschrieben. Gemeint sind die Bereiche Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Nicht der HSV. Oder wie es ein Optimist formulieren würde: noch nicht der HSV.