Frankfurt/M. Ein 2:2 gegen Frankfurt, der kommende HSV-Gegner, reichte aus, damit beim Rekordmeister die Alarmglocken schrillen

Karl-Heinz Rummenigge wirkte persönlich beleidigt. Fuchsteufelswild und mit puterrotem Gesicht eilte er aus der Kabine und begann bereits in der Mixed Zone mit Teil eins der Krisenbewältigung. „Das war nicht Bayern München in der ersten Halbzeit, so kann man nicht auftreten. Das war nicht akzeptabel, man muss mit einer anderen Einstellung auf den Platz gehen“, schimpfte Bayern Münchens Vorstandschef nach dem schmeichelhaften 2:2 (1:1) bei Eintracht Frankfurt.

Rummenigge war nach dem dritten sieglosen Spiel des erschreckend anfälligen und fehlerhaften Rekordmeisters in Folge kaum zu bremsen mit seiner ungewohnt offenen Kritik. Eine „andere Gangart“ wurde gefordert. „Denn man muss hin und wieder den Finger in die Wunde legen, wenn eine Wunde da ist“, meinte der Ex-Nationalspieler und konnte auch Stunden nach dem Abpfiff die Aussetzer des lahmenden Starensembles nicht fassen. Zuletzt hatte es eine solche Durststrecke der Münchner im Mai 2015 gegeben – damals noch unter Ex-Trainer Pep Guardiola.

Ancelotti will gegen Eindhoven auf neue Spieler setzen

Der Druck auf den neuen Coach Carlo Ancelotti ist schon überraschend früh in der Saison überraschend hoch. Und der smarte Italiener scheint das zu spüren und will die Zügel anziehen. „Wir haben die ersten 45 Minuten geschlafen, das ist in jedem Spiel zu viel. Ich muss das ändern, ich will mein Team sehen. Ich werde Wechsel vornehmen“, sagte Ancelotti mit Blick auf das Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen den PSV Eindhoven.

Auch Nationalspieler Mats Hummels war nach der schwachen Kollektivleistung mit vielen Fehlpässen alarmiert und sprach etwas verklausuliert von „einigen Gründen“, die für das derzeitige Gesicht des Bundesliga-Tabellenführers verantwortlich seien. „Darüber werden wir intern reden. Wir müssen viele Dinge verbessern, denn wir sind lange noch nicht da, wo wir hinwollen“, klagte der Nationalspieler.

Wohl wissend, dass noch einige Arbeit auf Ancelotti wartet. Gleich zweimal hatten die Bayern Führungen durch Arjen Robben (10.) sowie Joshua Kimmich (62.) verspielt – und den Ausgleich durch Frankfurts überragenden Marco Fabian (78.) nach der Gelb-Roten Karte für Szabolcs Huszti (65.) sogar in Unterzahl kassiert. Eigentlich unwürdig für das Starensemble von der Isar, das wieder vom Triple träumt.

Dem nach seiner Rippenverletzung in die Startelf zurückgekehrten Torschützen Robben schwante dann auch Übles. „Wir müssen schnell wieder zu alter Form finden, damit die Gegner nicht das Gefühl haben, dass man gegen uns was gewinnen kann.“ Der Niederländer möchte, dass sich jeder Einzelne hinterfrage, „denn so können wir nicht weitermachen“.

Doch des einen Leid ist bekanntlich des anderen Freud. So mussten Frankfurts Profis nach dem hochverdienten Unentschieden noch eine Ehrenrunde drehen und die Glückwünsche der zufriedenen Zuschauer entgegennehmen. Bereits vor der Partie hatte Trainer Niko Kovac ein kleines Törtchen überreicht bekommen. Das Geschenk, über das sich der frühere Hamburger an seinem 45. Geburtstag aber mit Abstand am meisten freute, war: Die Leistung und das Ergebnis seiner Spieler beim hochverdienten 2:2 gegen die Bayern.

„Danke an die Mannschaft“, sagte Kovac. „Sie hat heute Großartiges geleistet – kämpferisch, aber auch spielerisch.“ So war der Sonnabend am Ende nicht nur sein Geburtstag, sondern auch ein Tag, an dem viel über die Arbeit und Wirkung von Trainern gesprochen wurde. Es ist Kovacs Verdienst, ein völlig neu formiertes Team derart zusammenzuschweißen, dass es die Bayern beinahe in Grund und Boden rannte. Der frühere HSV-Abräumer gilt als Mann der kurzen Leine und der klaren Ansagen.

Neben ihm saß der neue Bayern-Coach Carlo Ancelotti, der mehr und mehr in dem Verdacht steht, alles etwas zu locker zu nehmen. Kovac sah das jedoch anders. „Es gibt keinen Trainer auf der Welt, der einen Zauberstab in der Hand hält und seine Spieler damit alle drei Tage zur Eigenmotivation treibt.“ Das sei eine Sache der Spieler.

Was genau er meinte, dürfte Hamburgs Publikum bereits am kommenden Freitag erfahren. Dann spielt Kovac mit dem Überraschungs-Achten der Liga an alter Wirkungsstätte beim HSV im Volkspark vor. Seine Rückkehr in die Hansestadt, wo Kovac 1999 bis 2001 spielte, war für den Kroaten am Wochenende aber noch kein Thema. Vielmehr ging es um den Club, zu dem er seinerzeit aus Hamburg hin gewechselt war: Bayern München.

„Mein Team hat sich gegen die Bayern so viele Chancen herausgespielt, das konnte ich selbst gar nicht glauben“, verriet Eintracht-Coach Kovac, dessen Mannschaft angesichts der guten Möglichkeiten – unter anderem traf Timothy Chandler den Pfosten (15.) – sogar den Sieg verdient gehabt hätte. Auch Sportdirektor Bruno Hübner sprach von einem „tollen Charakter“.

Genau dieser dürfte beim Gegner in den kommenden Tagen das Hauptthema bleiben. So grantelte auch der sonst meist gut gelaunte Thomas Müller: „Frankfurt hatte teilweise das Heft des Handelns in die Hand genommen. Das ist man als Bayern-Spieler nicht gewohnt und daran will man sich auch nicht gewöhnen.“ Der Stürmer gab auch Philipp Lahm recht, der kritisiert hatte, dass kein einziger Bayernspieler Normalform erreicht hätte: „Wir haben von A bis Z heute nicht so gespielt, wie wir uns das vorstellen. Dass wir in Überzahl den Ausgleich kassieren, das setzt dem Ganzen die Krone auf.