Buxtehude. Der DTM-Star gewinnt erstmals den Rallycross-Titel. Ein Glücksfall auch für den Buxtehuder Estering

Im Moment seines größten Erfolgs schweifte Mattias Ek­ström mit seinen Gedanken in die Vergangenheit ab. Er dachte an die Rallylegenden Walter Röhrl und Stig Blomqvist, die großen Vorbilder seiner Jugend. An eine Begegnung mit dem verstorbenen schottischen Rallyweltmeister Colin McRae, der ihm seinen Trick verriet, wie man die Nervosität besiegen kann. Und an Michael Schumacher, den er einmal im Race of Champions schlagen konnte und der ihm danach eine Motorsportweisheit anvertraute: „Du musst wissen, wenn du es verdienst zu gewinnen. Und du musst wissen, wenn du es verdienst zu verlieren.“

All diese Erinnerungen kamen Ek­ström am Sonntagnachmittag auf dem Buxtehuder Estering wieder in den Sinn, nun, da auch er sich erstmals Weltmeister nennen darf. Der fünfte Platz beim vorletzten Lauf der Rallycross-WM reichte dem zweimaligen DTM-Champion aus Schweden, um seinen Vorsprung auf uneinholbare 30 Punkte auszubauen. Titelverteidiger Petter Solberg (41) aus Norwegen hätte schon gewinnen müssen, um sich für das Saisonfinale Ende November in Argentinien eine kleine Chance zu erhalten. Aber er wurde von Ekströms Landsmann Kevin Eriksson im Finale mit einem Manöver ausgebremst, das in keiner Best-of-Sammlung dieser Motorsportsaison fehlen darf. Auf der Außenbahn schlitterte Eriksson (20) in der ersten Kurve am Feld vorbei und stellte seinen Ford Fiesta schließlich so geschickt quer, dass Solberg seinen Geschwindigkeitsvorteil im Citroën nicht ausspielen konnte. Eriksson konnte seine Führung über die kompletten sechs Runden ins Ziel retten, was umso bemerkenswerter ist, als er seit der WM-Premierensaison 2014 nicht mehr für ein Finale qualifiziert gewesen war.

Ekström (38) war in besagter erster Kurve nach eigener Aussage „vorsichtig gefahren wie ein Hühnchen“ und weit zurückgefallen. Zum ersten Mal in seiner Karriere habe er Druck verspürt: Druck, sich bei seinem Arbeitgeber Audi zu revanchieren dafür, dass der ihn vom DTM-Finale auf dem Hockenheimring freigestellt hatte, damit er sich seinen Kleinwagentraum erfüllen kann. Von allen Titeln, die der Automobil-Weltverband Fia ausschreibt, ist dieser wohl der geringste. Die Rallycross-WM ist kein glitzerndes Big Business, sie hat den Charakter eines Familientreffens von PS-Puristen. Aber genau das macht für Ekström den Titel so bedeutsam: „Ich habe vor drei Jahren mein ganzes Geld zusammengekratzt und meine Freunde gefragt, ob sie dabei sind. Ich habe viel von ihnen verlangt und konnte ihnen nicht mehr bieten als gutes Essen und viel Spaß. All die Anstrengungen haben sich jetzt ausgezahlt.“

Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich gehörte zu den ersten Gratulanten, die sich per Kurznachricht bei dem Schweden meldeten. Der Ingolstädter Konzern hatte am Vortag seinen anderen DTM-Fahrer Timo Scheider dazu gedrängt, nach 16 Jahren und zwei Titeln seinen Abschied aus der Tourenwagenserie zu verkünden. Auch Scheider könnte sich nächstes Jahr in den Dreck wagen, das deutete er an. Ein deutscher Topfahrer fehlt im Rallycross noch. Andreas Steffen (48) kann diese Rolle derzeit nicht einnehmen, dafür fehlen dem Buxtehuder die nötigen Mittel – und in dieser Saison auch das Glück. Bei seinem Heimrennen musste er als WM-Gaststarter mit mehreren technischen Problemen an seinem Ford kämpfen. Ein Fehlstart in der letzten Qualifikationsrunde raubte ihm auch die letzte Halbfinalchance.

„Das passt zu diesem Jahr“, sagte Steffen. Es hatte schon mit zwei Turboladerschäden begonnen, in Schweden dann überschlug er sich, in Barcelona brannte das Auto, dazu kamen eine gebrochene Radaufhängung und eine defekte Antriebswelle. Steffens Lehre daraus: „Ich brauche mehr Budget, um zwei zusätzliche Leute anzustellen, vor allem fürs Fahrwerk, und fünf oder sechs Tage mehr testen zu können.“

Als Vorsitzender des ausrichtenden Automobilclubs Niederelbe aber konnte Steffen ein positives Fazit ziehen. Dass das Rennen zur WM-Krönungsmesse wurde, war ein Glücksfall. Am Wochenende wurden mehr als 20.000 Zuschauer aus ganz Europa gezählt: 8500 am kühlen Sonnabend, 12.000 am milderen Sonntag. Klar ist schon jetzt, dass auch 2017 die WM in Buxtehude Station macht. Der Termin wird erst Ende des Jahres festgelegt.