Deutschlands beste Hallenvolleyballerin wechselt zum Beachvolleyball. Im Abendblatt-Interview erklärt sie ihre Beweggründe.

Die letzten milden Herbsttage in Mailand zu genießen, wo sie mit ihrem italienischen Freund Nicolo lebt, fiel Margareta Kozuch schwer. Seit am vergangenen Donnerstag bekannt wurde, dass Deutschlands beste Hallenvolleyballerin als Partnerin von Karla Borger an den Strand wechselt, stand das Telefon der gebürtigen Hamburgerin, die Ende des Monats 30 Jahre alt wird, nicht mehr still. „Alle wollten wissen, wieso ich den Schritt gehe, und haben mir viel Erfolg gewünscht“, sagt die langjährige Spielführerin der Nationalmannschaft, die 2003 beim damaligen Bundesligisten TV Fischbek ihre Karriere begann. Wie es zu dem Wechsel kam und was sie sich davon verspricht, verrät Kozuch im Gespräch mit dem Abendblatt.

Frau Kozuch, die Volleyballwelt ist in Aufruhr, seit Sie Ihren Wechsel zum Beachvolleyball öffentlich gemacht haben. Hätten Sie mit so viel Resonanz gerechnet?

Margareta Kozuch: Ich habe schon erwartet, dass es ein gewisses Interesse geben könnte. Aber in dieser Form war das schon krass. Ich habe so viele liebe Glückwünsche bekommen, und das bedeutet mir sehr viel. Diese Energie wird mir helfen, die Herausforderung eines solchen Umbruchs zu bestehen, der ja auch Mut erfordert.

Mutig ist es tatsächlich, als beste deutsche Hallenvolleyballerin im Alter von 30 Jahren am Strand neu zu starten. Wieso haben Sie so entschieden?

Kozuch: Ich war schon immer ein Mensch, der sehr viel auf sein Bauchgefühl geachtet hat. Ich lebe ganz stark im Hier und Jetzt, versuche den Moment zu leben. Diese Offenheit hat mich bislang immer weitergebracht. Auf meinem Lebensweg fühlte sich dieser Schritt jetzt richtig an. Deshalb wage ich ihn.

Wie lang haben Sie denn mit einem solchen Wechsel schon geliebäugelt?

Kozuch: Gar nicht lang. Ich plane grundsätzlich nicht weit im Voraus, eben weil ich bewusst im Moment lebe und fest glaube, dass das Leben nicht planbar ist.

Beobachter, die Sie Anfang September bei den deutschen Beach-Meisterschaften in Timmendorf sahen, glauben, dass dort schon alles klar war.

Kozuch: Stimmt aber nicht. Ich war rein privat in Timmendorf. Da ich in diesem Sommer in der Nationalmannschaft pausiert habe, hatte ich etwas Zeit und wollte mich dort mit ehemaligen Mitspielerinnen treffen, einfach um die Atmosphäre zu genießen. Ich bin dort von vielen Menschen gefragt worden, was ich in der neuen Saison machen würde. Mein Vertrag bei Pomi Casalmaggiore (mit dem sie im Sommer die Champions League gewann, d. Red.) war ausgelaufen, ein Angebot zur Verlängerung hatte ich abgelehnt, weil ich nach Asien wechseln wollte. Das zerschlug sich jedoch kurzfristig, weil das Team nicht zum Spielbetrieb antreten konnte. Also war ich nach allen Seiten offen und habe das so kommuniziert.

Und plötzlich hatten Sie dann ein Angebot von Karla Borger, die nach dem beruflich bedingten Rücktritt ihrer Partnerin Britta Büthe eine neue Blockspielerin suchte?

Kozuch: Tatsächlich hat mich Karla einige Tage später angerufen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich wurde in der Vergangenheit schon oft gefragt, ob ich mir den Wechsel an den Strand vorstellen könnte, aber das war gedanklich immer sehr weit weg für mich. Als Karla fragte, spürte ich, dass es ernst werden könnte. Ich habe dann mit Menschen, die mir nahestehen, einige Gespräche geführt, weil ich Zeit brauchte, um zu reflektieren. Am vergangenen Dienstag habe ich dann die Entscheidung getroffen. Bewusst für Beachvolleyball und nicht gegen die Halle.

Das heißt, Sie haben nicht für den Olympiazyklus bis Tokio zugesagt, sondern könnten sich auch eine Rückkehr in die Halle vorstellen?

Kozuch: Ich werde niemals etwas ausschließen, weil mir Halle immer viel Spaß gemacht hat. Karla und ich müssen als Team erst einmal zueinanderfinden, um zu verstehen, was wir wollen. Aber der Gedanke, 2020 mit ihr bei Olympia anzutreten, ist schon sehr verlockend.

Was lockt Sie denn konkret? Es ist ja sicherlich eine Umstellung, aus einem Sechserteam nun in eine Zweierkonstellation zu wechseln.

Kozuch: Natürlich, man ist viel mehr auf sich gestellt und hat bei jedem Ballwechsel Ballkontakt. Die große Herausforderung wird sein, dass ich Geduld mit mir habe. Und ich hoffe, dass Karla die auch hat, immerhin ist es auch für sie eine große Veränderung. Wir haben uns beide sehr gefreut, dass Britta Büthe uns viel Glück gewünscht hat. Das fand ich sehr fair von ihr. Ich weiß, dass ich Britta nicht ersetzen kann, denn jeder ist einzigartig. Ich habe vor ihrer Leistung hohen Respekt, aber mein Ansatz ist, meinen eigenen Weg zu finden, um mit Karla erfolgreich zu sein.

Haben Sie nie Sorge gehabt, dass Sie Ihren hohen Status eintauschen gegen die Ungewissheit, im Beachvolleyball überhaupt mithalten zu können auf einem für Sie angemessenen Niveau?

Kozuch: Ich habe 15 Jahre Profikarriere auf dem Buckel, deshalb weiß ich einzuschätzen, was ich tun muss und wofür ich etwas tue. Ob ich am Strand sofort Erfolg haben werde, weiß ich nicht. Aber ich messe Erfolg oder die Tatsache, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war, nicht nur an Ergebnissen, weil man auch an Misserfolg wachsen kann. Und das ist für mich viel wichtiger: dass ich mich weiterentwickle und neue Lebenserfahrung sammle. Die Entscheidung rüttelt mein Leben durch, aber ich gehe mit großem Vertrauen und mit Neugier an die Sache. Außerdem habe ich mit Karla eine erfahrene Partnerin an der Seite, die mir sehr helfen wird.

Wissen Sie schon, wo und mit wem Sie trainieren werden?

Kozuch: Nein, das werden wir in den kommenden Wochen besprechen. Es geht ja auch darum, den Sport mit dem Privatleben zu vereinbaren, und da mein Freund in Mailand Basketball spielt, ist er hier gebunden. Ich bin aber durchaus bereit, zu Karla an den Stützpunkt nach Stuttgart zu ziehen, wenn das der Sache dient. Man ist ja sowieso sehr viel in der Welt unterwegs.

Sie könnten ja auch in Ihre Geburtsstadt Hamburg zurückkehren. Hier könnten Sie mit den Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst trainieren.

Kozuch: Was die beiden geschafft haben, war wirklich unglaublich. Sie haben in Rio eine Souveränität ausgestrahlt, die ich so noch nie gesehen habe. Sie haben sich das Gold absolut verdient. Aber ich denke im Moment wirklich noch überhaupt nicht daran, mich mit den beiden messen zu wollen. Jetzt zählt nur, dass wir uns als Team finden.

Hamburger Beach-Duo krönt sich an der Copacabana:

Gold! Hamburger Beach-Duo krönt sich an der Copacabana

Bei der Siegerehrung gab’s kein Halten mehr. Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sind die Königinnen an der Copacabana
Bei der Siegerehrung gab’s kein Halten mehr. Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sind die Königinnen an der Copacabana © REUTERS | ADREES LATIF
Wer feiert wilder? Laura Ludwig und Kira Walkenhorst machten nach ihrem Triumph die Nacht zum Tag
Wer feiert wilder? Laura Ludwig und Kira Walkenhorst machten nach ihrem Triumph die Nacht zum Tag © imago | Conny Kurth
Der 30-jährige Laura Ludwig war nach Spielende den Tränen nahe. Sie ist nun Deutschlands erfolgreichste Beachvolleyballerin
Der 30-jährige Laura Ludwig war nach Spielende den Tränen nahe. Sie ist nun Deutschlands erfolgreichste Beachvolleyballerin © dpa | Sebastian Kahnert
Strahlende Olympiasiegerinnen: Das Hamburger Beach-Duo holt Gold in Rio 2016
Strahlende Olympiasiegerinnen: Das Hamburger Beach-Duo holt Gold in Rio 2016 © Getty Images | Ezra Shaw
Der Moment, als der Matchball verwandelt wurde: Kira Walkenhorst und Laura Ludwig sind am Ziel ihrer Träume
Der Moment, als der Matchball verwandelt wurde: Kira Walkenhorst und Laura Ludwig sind am Ziel ihrer Träume © dpa | Mario Ruiz
Selbst bei der Siegerehrung konnten die beiden ihren Triumph noch nicht so richtig fassen
Selbst bei der Siegerehrung konnten die beiden ihren Triumph noch nicht so richtig fassen © Getty Images | Ezra Shaw
Immer wieder befreiten sich Ludwig/Walkenhorst aus brenzlichen Situationen wie dieser
Immer wieder befreiten sich Ludwig/Walkenhorst aus brenzlichen Situationen wie dieser © REUTERS | ADREES LATIF
Hamburgs Sportsenator Andy Grote, Sportstaatsrat Christoph Holstein und Olympiastützpunkt-Leiterin Ingrid Unkelbach schwenkten eine Deutschlandfahne auf der Tribüne
Hamburgs Sportsenator Andy Grote, Sportstaatsrat Christoph Holstein und Olympiastützpunkt-Leiterin Ingrid Unkelbach schwenkten eine Deutschlandfahne auf der Tribüne © Witters | ValeriaWitters
Ein Küsschen für das Edelmetall!
Ein Küsschen für das Edelmetall! © Getty Images | Ezra Shaw
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst krönen ihre bärenstarke Leistung an der Copacabana
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst krönen ihre bärenstarke Leistung an der Copacabana © Getty Images | Quinn Rooney
Die vermeintlich beste Abwehrspielerin der Welt, Laura Ludwig, in Aktion
Die vermeintlich beste Abwehrspielerin der Welt, Laura Ludwig, in Aktion © Getty Images | Patrick Smith
Immer wieder wehrte sie die Angriffsschläge der Brasilianerinnen ab
Immer wieder wehrte sie die Angriffsschläge der Brasilianerinnen ab © Getty Images | Patrick Smith
Doch auch Barbara Seixas kann durch den Sand fliegen
Doch auch Barbara Seixas kann durch den Sand fliegen © Getty Images | Patrick Smith
Auch diese taktische Anweisung der Brasilianerin Barbara Seixas bei eigenem Aufschlag half nicht: Deutschland dominierte das Finale
Auch diese taktische Anweisung der Brasilianerin Barbara Seixas bei eigenem Aufschlag half nicht: Deutschland dominierte das Finale © Getty Images | Quinn Rooney
JAAAAAA! Hamburg holt seine erste Goldmedaille bei Olympia
JAAAAAA! Hamburg holt seine erste Goldmedaille bei Olympia © Getty Images | Ezra Shaw
Kira Walkenhorst ist am Netz eine Macht und blockt auch diesen Angriffsschlag
Kira Walkenhorst ist am Netz eine Macht und blockt auch diesen Angriffsschlag © Getty Images | Patrick Smith
Besonders die starken Aufschläge des Duos waren ein Grund des Finalerfolgs
Besonders die starken Aufschläge des Duos waren ein Grund des Finalerfolgs © Getty Images | Patrick Smith
Hochkonzentriert vor dem Punktgewinn: Ludwig und Walkenhorst zeigten keine Schwächen
Hochkonzentriert vor dem Punktgewinn: Ludwig und Walkenhorst zeigten keine Schwächen © dpa | Soeren Stache
Bezeichnend: Enttäuschung bei den Gastgebern, Jubel bei den Deutschen
Bezeichnend: Enttäuschung bei den Gastgebern, Jubel bei den Deutschen © Getty Images | Ezra Shaw
Jubeln, abklatschen und weiter Druck machen: Laura Ludwig und Kira Walkenhorst während des Matches
Jubeln, abklatschen und weiter Druck machen: Laura Ludwig und Kira Walkenhorst während des Matches © REUTERS | TONY GENTILE
Kurze Taktikbesprechung während einer Auszeit
Kurze Taktikbesprechung während einer Auszeit © Getty Images | Quinn Rooney
Laura Ludwig holt auch diesen Ball noch vor der Bodenberührung
Laura Ludwig holt auch diesen Ball noch vor der Bodenberührung © Getty Images | Patrick Smith
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Beachvolleyball könnte in Deutschland zum Boomsport werden. Hat Sie in Ihren Wechselgedanken beeinflusst, von diesem Boom profitieren zu können? Oder werden Sie dank Ihrer Popularität den Beachvolleyball populärer machen?

Kozuch: Weder noch. Ich will dem Beachvolleyball gern viel geben. Aber ich muss zunächst meine Nische finden, um zu sehen, was ich geben kann.