Bremen. Wie schon bei Vorgänger Viktor Skripnik setzt Werder bis Saisonende auf einen Novizen aus der U-23

Alexander Nouri ließ es ruhig angehen. Seinen Profis gab der neue grün-weiße Hoffnungsträger am Montag trainingsfrei, er selbst feierte seine Beförderung vom Interimstrainer zum Chefcoach von Werder Bremen im Kreise seiner Liebsten – und er kümmerte sich erst einmal um das neue Familienmitglied.

„Wir haben einen kleinen Hund dazubekommen, der noch nicht stubenrein ist. Das raubt mir den einen oder anderen Nerv“, sagte der in Buxtehude aufgewachsene Sohn eines Iraners und einer Deutschen mit einem breiten Grinsen. Ansonsten gelte es „abzuschalten“ und „Energie zu tanken“ für die Mammutaufgaben der nächsten Wochen. Der Job bei Werder, das spürt Nouri, ist die Chance seines Lebens.

„Er hat in den vergangenen Wochen gezeigt, dass er die Mannschaft erreicht, und hervorragende Arbeit geleistet. Wir sind zu der Entscheidung gekommen, dass er die Gelegenheit bekommen soll, seine begonnene Arbeit fortzusetzen“, sagte Werders Sportdirektor Frank Baumann am Tag nach dem 2:2 (0:1) bei Darmstadt 98 und beendete damit das tagelange Rätselraten um die Nachfolge des vor zwei Wochen beurlaubten Viktor Skripnik.

Nouris Vertrag bis zum Saisonende könnte aber durchaus auch als Ausdruck eines Restzweifels verstanden werden. „Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass in unserem Anforderungsprofil der Punkt Erfahrung eine wichtige Rolle spielt. Wir wussten, dass Alexander Nouri und sein Team sehr gute Arbeit leisten, aber in diesem Punkt können sie natürlich noch keine Garantien geben“, verteidigte Baumann die Entscheidung der Clubspitze.

Nouri sieht in der kurzen Vertragsdauer kein Problem. „Was hätte denn ein Vierjahresvertrag verändert? Wir wissen doch alle, wie schnell es in alle Richtungen gehen kann“, sagte der 37-Jährige und brachte vielmehr seine Freude zum Ausdruck: „Das ist eine tolle Geschichte und große Herausforderung, die wir mit aller Bescheidenheit und Demut aber auch mit voller Entschlossenheit und Energie angehen.“

In seinen ersten drei Spielen (vier Punkte) habe Nouri, so Baumann, überzeugt, zudem sei schlicht auch kein besserer Kandidat auf dem Markt gewesen: „Wir haben niemanden gefunden, der uns im Gesamtpaket mehr überzeugt hat als Nouri. Im Fußball ist es manchmal auch ratsam, Gelegenheiten zu ergreifen, dem Bauchgefühl zu folgen.“

Dieses Gefühl sagt: Der frühere Zweitliga-Spieler (17 Partien für den VfL Osnabrück) ist der Richtige. Er hat in den vergangenen Wochen quasi einen Crashkurs gemacht. Niederlage gegen den FSV Mainz 05 nach Führung bis zur 87. Minute (1:2), Sieg gegen Wolfsburg trotz Rückstands bis zur 86. Minute (2:1). Am Sonnabend das Remis in Darmstadt nach Rückstand und dann Führung bis zur 73. Minute.

Mehr geht fast nicht in den ersten drei Spielen als Bundesliga-Trainer. „Es ist eine große Herausforderung, aber wir werden sie gemeinsam erfolgreich bestehen“, sagte Nouri. Zumindest eine Stimmungswende hat er bereits bewirkt. Die Fans stehen hinter Nouri, die Spieler sprachen sich ebenso bemerkenswert deutlich für ihn aus. „Wir arbeiten sehr, sehr gut zusammen“, sagte Kapitän Clemens Fritz: „Er hat uns Mut zugesprochen, stellt uns gut ein und macht einen guten Job.“ Serge Gnabry fügte hinzu: „Wir treten mehr als Einheit auf, profitieren sehr von ihm.“

Auch in Darmstadt kam Werder nach einem Rückstand zurück. In einer desolaten ersten Halbzeit hatte Antonio Colak für 98 per Foulelfmeter (19.) getroffen, den Theodor Gebre Selassie mit einem Foul an Jérôme Gondorf verursacht hatte. „Wir haben erst in der zweiten Halbzeit angefangen zu spielen“, sagte der starke Gnabry, der nach dem Tor von Lamine Sané (51.) zur Führung traf (67.). Es reichte nicht zum Sieg, weil Colak (73.) noch einen Volleyschuss versenkte. Doch es reichte aus, um Baumann von Nouri zu überzeugen.

Nouris Aufstieg zum Bundesliga-Trainer war rasant: Nach einem Fernstudium (Gesundheitsmanagement) übernahm er 2013-14 Regionalliga-Club VfB Oldenburg als Cheftrainer und sportlicher Leiter. Im Sommer 2014 wechselte er als Co-Trainer der Profi- und U-23-Mannschaft nach Bremen, doch schon im Oktober 2014 stieg Nouri nach der Beurlaubung von Trainer Robin Dutt zum Chef der U 23, mit der er in die Dritte Liga aufstieg. Erst im Frühjahr 2016 erwarb er an der Hennes-Weisweiler-Akademie die Uefa-Pro-Lizenz (Fußballlehrer-Ausbildung).

Nouris bisherige Position des Trainers der U 23 übernimmt Florian Kohfeldt (33), der zum Trainerstab von Skripni­k gehört hatte. Interimscoach Thomas Wolter wechselt auf eigenen Wunsch wieder in die sportliche Leitung des Leistungszentrums.