Hamburg. Bundesligisten Hamburger RC und FC St. Pauli verbindet nicht nur Rivalität. Clubchef wartet noch auf Antwort von Senator Grote.

„HRC!“, stöhnen die acht breitschultrigen Männer, als sie sich auf das graue Ungetüm stürzen und es Schritt um Schritt nach hinten schieben. 725 Kilogramm wiegt die sogenannte Gedrängemaschine, sie sieht aus wie der Untersatz einer Straßenwalze. Dem Druck der Stürmer des Hamburger Rugby-Clubs aber ist sie nicht gewachsen.

Ganz so geschmeidig wie im Training wird sich der Gegner am kommenden Sonnabend (14 Uhr, Saarlandstraße 71) sicherlich nicht aus dem Weg räumen lassen. Auf dem Spielplan steht das Derby gegen den FC St. Pauli. Es geht um Punkte in der 1. Bundesliga Nord/Ost, aber vor allem geht es ums Prestige. Mehr als ein Jahrzehnt lang gab es für den HRC nichts zu gewinnen gegen den übermächtigen Lokalrivalen. „Es setzte eigentlich immer eine Klatsche“, erinnert sich Fabian Peters, mit mehr als 100 Einsätzen der Rekord-Bundesligaspieler des HRC.

Trend scheint sich umzukehren

Beim bislang letzten Derby im März hatte der FC St. Pauli (in Braun-Weiß) gegen den Hamburger RC mit 17:11 knapp die Oberhand
Beim bislang letzten Derby im März hatte der FC St. Pauli (in Braun-Weiß) gegen den Hamburger RC mit 17:11 knapp die Oberhand © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf / TA CAPS

Allmählich aber scheint sich der Trend umzukehren. Vor zwei Jahren gab es den ersten Derbysieg. „Für den Verein war das das Größte“, sagt Peters, „seither sind wir auf Augenhöhe und können St. Pauli in jedem Spiel schlagen.“

Aktuell liegt der HRC nach drei Spieltagen mit acht Punkten als Tabellenfünfter zwei Plätze vor dem Lokalrivalen mit fünf Punkten. Wären dem Club nicht zwei Punkte wegen Lizenzverstößen aberkannt worden, wäre es sogar Platz zwei. Aber Trainer Carsten Segert denkt gar nicht daran, das Saisonziel nach oben zu korrigieren: „Für uns kann es nur um den Klassenerhalt gehen.“ So wie fast in jeder Saison seit 2012, als eine Ligareform die beiden führenden Hamburger Clubs in die Erstklassigkeit beförderte.

HRC hat Jugendarbeit verstärkt

Segert, Vizepräsident des Deutschen Rugby-Verbands, ist im dritten Jahr für den HRC als Trainer verantwortlich – hauptamtlich, als einer von wenigen in Deutschland. Um seine Stelle zu finanzieren, wurden Spenden eingeworben und Sponsoren bekniet. Für einen 240-Mitglieder-Club „ein Drahtseilakt“, wie Sprecher Hendrik Kannenberg sagt. Aber man habe ihn gewagt, um Strukturen aufzubauen und mittelfristig erfolgreicher zu werden. Die Jugendarbeit wurde verstärkt, der Trainingsaufwand erhöht, die erste Mannschaft hat einen Teammanager bekommen. Und, auch das ist Teil der Professionalisierung, für die Heimspiele wird neuerdings Eintritt erhoben, 2,50 Euro pro Erwachsenen.

Kannenberg (26), ein Cousin von Rekordspieler Peters, sieht zufrieden aus, während er den Blick über den Rasen am Stadtpark schweifen lässt. Seine aktive Karriere musste er vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen beenden, jetzt hilft er bei der Organisation rund um das Team mit. Als er vor zehn Jahren beim HRC zu spielen anfing, „da waren wir froh, wenn wir 15 Leute im Training hatten“.

Viele sind Studenten aus dem Ausland

An diesem Dienstagabend sind etwa 30 Spieler gekommen. Viele stammen aus dem Ausland: aus Wales, Österreich, Portugal, England und Neuseeland. Studenten im Auslandsjahr, Praktikanten, Berufseinsteiger, die die Karriere nach Hamburg verschlagen hat. „Wir sind dankbar für jeden Spieler, der uns hilft“, sagt Segert, „aber wir sind weit davon entfernt, wie die Südclubs gezielt Spieler zu verpflichten.“

Das fehlende Geld aber ist für Segert gar nicht der entscheidende Wettbewerbsnachteil des Hamburger Rugbys: „Was wir vor allem brauchen, ist ein eigener Platz, bei dem wir bestimmen, wann und wie viel wir trainieren.“ Derzeit müssen sich fünf Vereine die beiden Anlagen an der Saarlandstraße und am Barmwisch teilen, mit jeweils mehreren Mannschaften – von der Altersklasse U 8 über die Frauenteams, von denen neuerdings auch der HRC eines hat, bis zu den Old Boys.

Antwort von Grote steht aus

Für die Bundesligamannschaft des HRC etwa bedeutet das: Sie hat nur zweimal pro Woche Zugang zum Trainingsplatz. An den anderen Tagen müssen die Spieler in Eigenregie Kraft und Ausdauer trainieren. Von einem Clubhaus am Trainingsgelände ist nicht einmal zu träumen. „Dieser Zustand ist unhaltbar“, sagt Segert. In Anbetracht der Umstände komme sogar noch viel dabei heraus. Vor drei Wochen hat er einen Brief an Sportsenator Andy Grote und Staatsrat Christoph Holstein verfasst und auf die Bedürfnisse seines neuerdings ja wieder olympischen Sports hingewiesen, bislang aber keine Antwort erhalten.

Die widrigen Umstände verbinden die Hamburger Rugbyfamilie, bei allen Rivalitäten. Die Zeiten, da auch einmal die Fäuste flogen zwischen St. Pauli und dem HRC, seien längst vorbei, versichert Sprecher Kannenberg: „80 Minuten wird gekämpft, am Ende gibt man sich die Hand.“

Vor zwei Jahren seien die St.-Pauli-Spieler nach dem Derby sogar noch ins ausgelagerte HRC-Clubhaus nach Barmbek-Süd gekommen, um ihren Bezwingern zu gratulieren. Dann wurde gemeinsam gefeiert.