Hamburg. Der Zweitligist stagniert in seiner Entwicklung. Trainer Lienen fordert mehr Konsequenz in der Offensive

Die Nacht von Montag auf Dienstag war kurz für Ewald Lienen. Um vier Uhr in der Früh kam der Trainer des FC St. Pauli nach der 0:2-Niederlage bei Union Berlin nach Hause. An erholsamen Schlaf war für den 62-Jährigen nicht zu denken. Zu sehr beschäftigte ihn die vierte Niederlage im siebten Saisonspiel und den damit verbundenen Verbleib im Tabellenkeller der Zweiten Liga. Derzeit deutet vieles daraufhin, dass sich St. Pauli erstmals seit zwei Jahren wieder mit einer sportlichen Krisensituation auseinandersetzen muss.

„Die Spieler, die in der Saison 2014/15 bei uns waren, kennen die Situation. Und diejenigen, die neu sind, müssen es lernen. Wir haben zu wenig Punkte“, sagte Lienen, der klarstellt, dass die Tabelle nur bedingt die Leistung der Mannschaft widerspiegelt. „Wir könnten locker neun, zehn Punkte mehr haben. Wir hätten in Stuttgart gewinnen und die Spiele gegen 1860 München und den KSC einfach nach Hause bringen müssen“, sagte Lienen.

Doch auch beim Kiezclub wird Fußball nicht im Konjunktiv gespielt. Der bisherige Saisonverlauf offenbart deutlich die Schwächen bei St. Pauli. Seit Wochen dreht man sich bei der Analyse der Spiele im Kreis. Immer wieder werden Dinge wie fehlende Durchschlagskraft in der Offensive und die indiskutablen individuellen Fehler thematisiert. Besonders bitter: Es sind immer unterschiedliche Spieler, die einen „Bock drinhaben“, wie es Lienen sagte. Gegen Berlin waren es Kapitän Lasse Sobiech, Christopher Avevor und Maurice Litka. Eine Entwicklung ist bei St. Pauli aktuell nicht zu erkennen. „Wir machen es uns selbst immer wieder schwer. Bis zum Sechszehnmeterraum spielen wir guten Fußball, aber dann fehlt die zündende Idee. Das müssen wir uns jetzt erarbeiten“, sagte Lienen.

Am Fleiß und der Einstellung mangelt es den Spielern wahrlich nicht, doch nach einer langen Vorbereitung, bereits sieben absolvierten Spielen in der Liga und einer Partie im DFB-Pokal entsteht der Eindruck, dass sich das Team noch im Modus „Work in Progress“ befindet. Weder aus dem Zen­trum, noch über die Flügel gibt es Offensivimpulse, vieles basiert auf Zufällen. In Berlin versuchte St. Pauli vor allem über Flanken aus dem Halbfeld in Abschlusssituationen zu kommen. Es ist beim Versuch geblieben. „In der Offensive spielen einige neue Spieler, die sich noch kennenlernen und die kleinen Laufwege verinnerlichen müssen. Im letzten Drittel des Spielfelds fehlen noch die Automatismen“, sagte Lienen, der am Montag gleich auf vier Positionen rotiert hatte. Im Nachhinein dürfte auch der erfahrene Coach zur Erkenntnis kommen, dass die vielen Wechsel kontraproduktiv waren. Ohnehin überraschte es, dass Lienen derart viele Wechsel vorgenommen hatte. Schließlich sagte er vor der Partie in Berlin noch, dass es den Spielern in der Englischen Woche nicht an Frische mangelte.

„Ich habe mir etwas dabei gedacht und nicht einfach nur so vier neue Spieler gebracht“, rechtfertigte sich Lienen. „Avevor sollte körperliche Präsenz bringen und vorne waren Bouhaddouz und Choi zuletzt etwas müde. Man muss auch Spielern eine Chance geben, wenn sie gut trainieren. Sonst verliert man sie als Trainer“, sagte der ehemalige Profi.

Verlieren sollte St. Pauli in den kommenden Wochen nicht allzu oft. Noch ist das Umfeld ruhig, die branchenübliche Hektik ist beim Kiezclub nicht zu spüren. Doch auch Lienen weiß, dass die Mannschaft schnellstmöglich Ergebnisse einfahren muss. „Mir gefällt die Energie, die Aggressivität und der Einsatzwille der Jungs. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen es uns jetzt erkämpfen und erspielen, Punkte zu holen“, sagte Lienen. Ob Lasse Sobiech dabei am Sonnabend bei Hannover 96 mithelfen kann, war auch am Dienstag noch nicht final geklärt. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hatte auch am Dienstag noch immer nicht das Strafmaß für die Tätlichkeit des Kapitäns im Spiel gegen 1860 München festgelegt. Intern geht man bei den Hamburgern aber davon aus, dass Sobiech zwei bis drei Partien aus dem Verkehr gezogen wird. Lienen nimmt es mit Humor: „Wenn Lasse nicht spielen kann, stelle ich einen anderen auf.“

Abwehrtalent Jacob Rasmussen wurde für die U20-Länderspiele Dänemarks gegen Finnland (6.10.) und Schweden (10.10.) nominiert.