Der Sauerland-Profistall bezeichnet das Duell als den „Kampf des Jahres“. Einiges spricht für diese Formulierung.

Hamburg. Klappern gehört zum Handwerk, heißt es im reichen Schatz der deutschen Sprichworte, und da das Boxen als besonders handfestes Handwerk durchgehen kann, ist man die marktschreierischen Ankündigungen vor Kampfabenden längst gewohnt. Von Ringschlachten wird da gern gefaselt, von epischen Duellen, hungrigen Herausforderern, die gekommen sind, um Karrieren zu beenden – und Weltmeistern, die sich auf einen Schlag der Heranstürmenden, die ihre Titel wollen, zu entledigen wissen. Oft genug enden derart vollmundige Ankündigungen dann in recht inhaltsleerem Ringgeschiebe.

Als „Kampf des Jahres“ versucht der Berliner Sauerland-Profistall jene Ansetzung zu vermarkten, die an diesem Sonnabend (22.40 Uhr/Sat.1) 5000 Menschen ins ausverkaufte Jahnsportforum von Neubrandenburg locken wird. Und tatsächlich spricht diesmal einiges dafür, dass sich das Duell zwischen Jürgen Brähmer und Nathan Cleverly diese Auszeichnung verdienen könnte. Immerhin treffen mit dem 37 Jahre alten WBA-Weltmeister aus Schwerin und seinem acht Jahre jüngeren Widersacher aus Wales zwei Athleten aufeinander, die im Halbschwergewichtslimit (bis 79,379 kg) anerkannt zur Weltspitze zählen.

Warum der Kampf so brisant ist

Seinen besonderen Reiz zieht der Kampf daraus, dass er mit fünf Jahren Anlaufzeit zustande kommt. Im Mai 2011, als Brähmer noch für den Hamburger Universum-Stall in der Blüte seiner Jahre den WBO-Titel hielt und Cleverly als einer der heißesten Nachwuchsstars gehandelt wurde, hatte man ein Treffen in der Londoner O2 Arena vereinbart. Brähmer jedoch sagte wenige Tage vor dem Abflug ab. Offizielle Version: Er habe sich einen im Training erlittenen Cut versehentlich mit einem Handtuch aufgerieben.

„Tatsächlich war es so, dass mein damaliger Promoter Klaus-Peter Kohl sich nicht an unsere Gagenabmachung halten wollte. Ich hätte sehr gern in London geboxt und habe auch eine Woche lang überlegt, ob ich es trotzdem mache. Aber ich habe es dann rigoros durchgezogen“, erinnert sich Brähmer heute an die Umstände der Absage, nach der Cleverly den WBO-Titel zugesprochen bekam und fünfmal verteidigte. Im vergangenen Jahr war es dann der Brite, der die Neuansetzung kurzfristig platzen ließ, weil er lieber in den USA gegen den Polen Andrzej Fonfara seine Chance suchen wollte. „Das war auch nicht die feine englische Art“, sagt Brähmer.

„Alter Hase“ gegen „jungen Löwen“

Nun also, im dritten Anlauf, soll es endlich klappen, und natürlich sind die Promoter beider Boxer überzeugt davon, dass die Wartezeit sich gelohnt haben wird. „Was war, interessiert nicht mehr. Im Jetzt sind beide gereifte Kämpfer und gereifte Menschen, was den Kampf nur noch besser macht“, sagt Eddie Hearn, und Kalle Sauerland ist „überzeugt davon, dass dieser Kampf die Welt begeistern wird, weil zwei Sportler aufeinandertreffen, die Kämpferherz, Schlaghärte und eine perfekte technische Ausbildung in sich vereinen“.

Das ist nicht übertrieben. Und obwohl Cleverly seit der Punktniederlage gegen Fonfara, die extrem viel Kraft kostete, nicht mehr gekämpft hat und 2014 gegen seinen Landsmann Tony Bellew sowie 2013 gegen den derzeit weltbesten Halbschwergewichtler Sergej Kovalev (WBA-Superchampion sowie Weltmeister bei WBO und IBF) schwere Niederlagen einstecken musste, darf man dem Waliser durchaus eine Überraschung zutrauen. Cleverle Cleverly, der Mathematik studiert und eine eigene Immobilienfirma aufgebaut hat, wird dem schlauen Ringfuchs Brähmer vor allem Härte entgegenzusetzen wissen.

„Auch wenn ich studiert habe und mit meiner Firma erfolgreich bin: Ich liebe es einfach zu kämpfen. Mein Antrieb ist es, den Titel zu holen. Es geht nicht um Geld, sondern darum, nach schweren Niederlagen zurückzukommen und noch einmal Champion zu werden. Das schaffen nur die Besten, und zu dieser Elite will ich zählen“, sagt der 29-Jährige, der ein Bild aus dem Tierreich bemüht, um den Kampfausgang vorauszusagen: „Brähmer ist ein exzellenter Kämpfer und ein alter Hase, aber ich bin der junge Löwe, der sich den Titel schnappt.“

Brähmer: Bin ein hungriger Wolf

Brähmer, bekannt für seinen mecklenburgisch-trockenen Humor und die Fähigkeit, abseits des Rings auch verbal zu kontern, sagt: „Meine Frau sagt, ich sei noch immer wie ein hungriger Wolf, deshalb denke ich, dass ich als Sieger den Ring verlasse.“ Für die Karriere nach der Karriere hat sich der zweifache Vater längst gewappnet, er macht ebenfalls Immobiliengeschäfte und hat als Trainer mit der Betreuung von Sauerlands Toptalent Tyron Zeuge erste Erfahrungen gesammelt.

Das bedeutet aber nicht, dass er seinen Titel nicht noch einige Jahre zu verteidigen gedenkt. „Mir macht es noch immer großen Spaß. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich in der Trainingshalle verbringen kann“, sagt er. Auf große Kämpfe, und ein solcher ist der gegen Cleverly, hat er lange warten müssen; manche sagen gar, er habe in seinen bislang 50 Profifights keinen stärkeren Widersacher gehabt. „Warten wir es ab“, sagt Jürgen Brähmer. Das laute Klappern hat er schon immer lieber den anderen überlassen.