Hamburg. Nach nur 17 Monaten wird Bruno Labbadia zum zweiten Mal als HSV-Trainer beurlaubt. Auch seine zwei Assistenten müssen gehen

Der finale Anruf kam am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr. Als die Telefonnummer von Dietmar Beiersdorfer auf dem Handy aufleuchtete, wusste Bruno Labbadia bereits, was der Clubchef des HSV ihm mitteilen würde. Das übliche Auslaufen hatte Labbadia bereits am Sonnabend nach dem 0:1 (0:0) gegen den FC Bayern München abgesagt. Und auch ein persönliches Gespräch mit Beiersdorfer im Volkspark lehnte Labbadia ab. Entsprechend kurz wird das Telefonat ausgefallen sein. Der Inhalt ist ebenso schnell zusammen­gefasst: „Du bist raus.“

529 Tage nach dem Beginn seiner erfolgreichen Rettungsmission hat der HSV seinen Trainer Bruno Labbadia beurlaubt. Beiersdorfer zog damit bereits nach fünf Spieltagen und nur einem Punkt die Konsequenzen aus der sportlichen Talfahrt. „Wir haben die Lage gründlich analysiert und sind zur Erkenntnis gelangt, dass eine Trendwende in der aktuellen Konstellation nicht mehr vorstellbar ist“, sagte Beiersdorfer, als er am Sonntag vor zahlreichen Kamerateams das Aus für den Trainer und seine Assistenten Eddy Sözer und Bernhard Trares begründen musste. Das Aus, über das Beiersdorfer in der Nacht entschieden haben will.

Es ist ein Aus, das Labbadia nicht mehr überraschte. Spätestens am vergangenen Sonntag, als Beiersdorfer ihm nach der 0:4-Niederlage gegen Aufsteiger RB Leipzig die Rückendeckung verwehrte, wusste der Trainer, dass seine Zeit in Hamburg abgelaufen ist. Trotzdem ließ Beiersdorfer ihn noch zwei Spiele gewähren. Zwei Niederlagen in Freiburg (0:1) und gegen die Bayern später ist die Trennung amtlich. Es passt zu der unrühmlichen Geschichte, dass die Beurlaubung ausgerechnet nach dem besten Spiel der Saison vollzogen wurde. „Es gibt nie einen optimalen Zeitpunkt für eine Entlassung. Man hofft natürlich immer, dass sich noch etwas dreht“, sagte Beiersdorfer.

Doch das Einzige, was sich in dieser Woche im Volkspark drehte, war die Stimmung für den Trainer und gegen Beiersdorfer. Sahen viele Fans in Labbadia noch den Schuldigen für den Fehlstart, wurde der 50-Jährige nach dem Spiel gegen die Bayern vor der Nordtribüne gefeiert. Für die leidenschaftliche Leistung, aber auch für die loyale Haltung, die der Trainer im Laufe der unwürdigen Woche bewahrt hatte. Als Labbadia sich nach dem Spiel bei den Anhängern bedankte, ahnten diese offenbar auch, dass es ein Abschied war. Auch wenn Labbadia sich unmittelbar nach Abpfiff noch bedeckt hielt. „Für mich geht es darum, was ich der Mannschaft mitgeben kann“, sagte er.

Sechs Jahre und sechs Monate nach seinem ersten Aus ist es für Labbadia bereits der zweite Abschied als HSV-Trainer. Hinterließ Labbadia im April 2010 nach einem desaströsen 1:5 in Hoffenheim eine zerstrittene Mannschaft, die mit ihren Stars um Mladen Petric, Zé Roberto und Ruud van Nistelrooy gegen den Trainer spielte, demonstrierte die HSV-Mannschaft im September 2016, dass sie gerne mit Labbadia weitergearbeitet hätte. Geschlossen positionierten sich die Spieler nach dem 0:1 gegen die Bayern für ihren Coach. „Ich wäre verwundert, wenn er entlassen wird“, sagte Nicolai Müller am Sonnabend. „Wir sind ein Team, und da gehört der Trainer dazu. Er ist unser Trainer, und ich denke, dass er das auch bleibt.“

Labbadia blieb noch genau eine Nacht. Die Entscheidung, sich vom Trainer zu trennen, reifte bei Beiersdorfer aber bereits im Laufe des Jahres. Es waren die vielen enttäuschenden Heimspiele in der Vorsaison, die Labbadias Abgang einläuteten. Gegen Augsburg, gegen Darmstadt, gegen Hoffenheim. Mit neuen Spielern wie Filip Kostic, Alen Halilovic oder Bobby Wood sollte das HSV-Spiel im Volkspark wieder attraktiver und erfolgreicher werden. Doch es blieb alles beim Alten. Gegen Ingolstadt, zuletzt gegen Leipzig.

„Ich erwarte von unseren Trainern, dass sie unsere Spieler entwickeln“, sagte Beiersdorfer. Labbadia hat er diese Aufgabe am Ende nicht mehr zugetraut. „Ich habe nach der jüngsten Transferperiode, nach der langen Vorbereitung und in den bisher absolvierten Bundesligaspielen keine Weiterentwicklung gesehen“, sagte Beiersdorfer. Markus Gisdol (siehe Seite 21) soll diesen Auftrag nun ausführen. Er ist Trainer Nummer 16 in den vergangenen zehn Jahren.

Erst im Januar hatte Labbadia seinen Vertrag beim HSV um ein Jahr bis Sommer 2017 verlängert. Nachdem er den Verein in einer aussichtslosen Situation übernommen und in der dramatischen Relegation in Karlsruhe gerettet hatte, sollte Labbadia endlich Kontinuität auf dem Trainerposten herstellen. Nach 45 Spielen ist Schluss. Labbadia geht mit einem Schnitt von 1,16 Punkten pro Partie. Damit übertrifft er zwar seine Vorgänger Peter Knäbel (0,00), Josef Zinnbauer (1,04), Mirko Slomka (0,75) und Bert van Marwijk (0,8), im Kalenderjahr 2016 schaffte Labbadia aber nur noch fünf Siege. Nun geht er wie schon vor sechs Jahren mit einer Abfindung.

Hinter den Kulissen soll Labbadias Aus bereits nach dem ernüchternden 1:1 gegen Ingolstadt am ersten Spieltag forciert worden sein. Das Verständnis in Vorstand und Aufsichtsrat für diesen Auftritt war angesichts der Transfer­investitionen von rund 32 Millionen Euro gering. Investor Klaus-Michael Kühne hatte eine Woche nach diesem Spiel den Druck auf den Trainer deutlich erhöht („Abwarten, ob er die Mannschaft in Form bringen kann.“). Das Abwarten dauerte genau drei Wochen.