Hamburg. Schiedsrichterschelte, Investorenkritik – und nun droht Kapitän Lasse Sobiech eine Sperre nach TV-Beweis

Lasse Sobiech war auch am Tag nach dem 2:2 des FC St. Pauli gegen 1860 München nicht nach Reden zumute. Dabei wäre der Kapitän der Kiezkicker ein interessanter Gesprächspartner gewesen, schließlich war es der 25-Jährige, der in dem emotionalen Nord-Süd-Duell die Hauptfigur war. Der Innenverteidiger hatte sich in der 52. Minute gegen die „Löwen“ zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen. Abseits des Spielgeschehens trat Sobiech Gegenspieler Jan Mauersberger in die Kniekehle. Dem Schiedsrichtergespann um Markus Kampka war diese Szene entgangen. Dem St-Pauli-Profi drohen dennoch Konsequenzen. Das Schiedsgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat die Ermittlungen aufgenommen. Am Freitagnachmittag wurde St. Pauli aufgefordert, bis spätestens Montag eine schriftliche Stellungnahme zu den Vorfällen am Donnerstag an den DFB zu schicken. Das Urteil soll in jedem Fall vor der Partie der Kiezkicker am Montag bei Union Berlin kommuniziert werden.

„So etwas möchte ich nicht sehen. Da muss man seine Nerven im Griff haben, auch wenn er vorher getriezt wurde. Sobiech lässt sich zu so etwas nicht einfach hinreißen. Aber das darf natürlich nicht passieren“, sagte Trainer Ewald Lienen. Robert Zulj von Greu­ther Fürth wurde unlängst für eine ähnliche Szene für drei Partien aus dem Verkehr gezogen. Für St. Pauli wäre Sobiechs Ausfall angesichts der kommenden beiden Partien bei Aufstiegskandidat Union am Montag (20.15 Uhr) und fünf Tage später im Nordderby bei Bundesliga-Absteiger Hannover 96 ein herber Verlust.

Auch wenn eine Sperre für Sobiech berechtigt wäre, fühlen sich die Kiezkicker derzeit von den Unparteiischen verfolgt. Der Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:1 durch Liendl war eine glasklare Fehlentscheidung. „Uns werden derzeit viele Steine in den Weg gelegt. Man sollte langsam darauf hinweisen, dass es nicht die erste Schiedsrichterentscheidung in dieser Saison gegen uns war. In jedem Spiel kann man aufzeigen, wo wir glasklare Elfmeter nicht bekommen haben und Entscheidungen gegen uns getroffen werden“, echauffierte sich Sportdirektor Thomas Meggle. Auch Lienen ist von der Vielzahl der Fehlentscheidungen gegen sein Team genervt und flüchtet sich in Ironie. „Wir haben erfahrene Schiedsrichterteams, die sich im Alter von 25 und 29 Jahren ihre Sporen verdienen. Die werden alles in den Griff kriegen.“

Einmal in Fahrt gekommen, redete sich der 62-Jährige nach dem Remis gegen die „Löwen“ in Rage und kritisierte das Engagement von Investoren im Fußball. 1860 München konnte dank des jordanischen Geldgebers Hasan Ismaik im großen Stile einkaufen gehen. Für Lienen ein Dorn im Auge: „Die sind plötzlich zu großem Reichtum gekommen und können sich alle möglichen Spieler leisten. Alle meckern über RB Leipzig, aber was soll man denn dazu sagen?“, sagte Lienen: „Das ist viel schlimmer als Leipzig. Die hängen am Tropf eines Investors, der, wenn er Lust hat, Millionen gibt. Da werden Millionengehälter gezahlt und Erstligaspieler wie Olic, Aigner und Matmour verpflichtet“, sagte Lienen.

Auch wenn Worte wie diese Musik in den Ohren derer sind, die sich den Kommerz im „modernen“ Fußball verwehren: Aktuell hat der FC St. Pauli andere Sorgen, als sich um die Finanzsituation anderer Clubs zu kümmern. Immerhin gibt Lienen selbst zu, dass seine Spieler durchaus noch Defizite haben und es deshalb aktuell eine große Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag gibt. „In manchen Spielen haben wir in dieser Saison die Punkte verdaddelt, weil wir tausendprozentige Chancen nicht genutzt haben. Wir müssen jetzt zusehen, dass wir uns in der Tabelle nach oben robben“, sagte Lienen , der momentan dem Ranking nicht allzu viel Bedeutung beimessen will. Auch seine Spieler betonen, dass die Abstände zu den Clubs im oberen Bereich des Tableaus nicht allzu groß sind. „Wir müssen positiv bleiben und vor allem die Ruhe bewahren. Wir wissen, was wir können“, sagte Abwehrspieler Philipp Ziereis.

Und dieses zweifelsohne vorhandene Können sollte St. Pauli möglichst schnell auch in Siege ummünzen. Sonst steht dem Kiezclub ein ungemütlicher Herbst bevor.