Freiburg. Beim 0:1 in Freiburg brachen die HSV-Spieler wie in den jüngsten Spielen in der zweiten Hälfte ein – Adler verteidigt den HSV-Trainer

Die Anspannung war ihm in jeder Sekunde anzusehen. Bruno Labbadia tigerte immer wieder in seiner Coachingzone hin und her. Die Hände abwechselnd in den Taschen oder in seinem Gesicht. Die Spekulationen um seine Zukunft waren am 50-Jährigen nicht spurlos vorbeigegangen. Und seine Spieler taten ihm nicht den Gefallen, für etwas Entspannung zu sorgen, im Gegenteil. Nach dem 0:1 in Freiburg muss der HSV-Cheftrainer seine Entlassung befürchten. Clubchef Dietmar Beiersdorfer versagte dem Coach nach der Partie bei „Sky“ die Rückendeckung. „Er ist unser Trainer, das muss ich nicht jeden Tag betonen. Speziell in einer Situation, in der wir aktuell nicht liefern, ist es schwierig. Wir waren heute schlecht, speziell in der zweiten Halbzeit. Wer für den HSV aufläuft, muss eine andere Leistung zeigen. Das war völlig unzureichend, darüber werden wir reden.“

Als „Labbadias Schicksalsspiel“ hatte das Abendblatt die Partie des HSV in Freiburg am Dienstag ausgemacht. Nach dem blamablen 0:4 gegen Aufsteiger RB Leipzig am Sonnabend war die Diskussion über die Zukunft des Trainers öffentlich in Gang gekommen. Reagierte Labbadia unmittelbar nach dem Leipzig-Spiel noch dünnhäutig, wirkte er am Dienstagabend wieder hochkonzentriert und kämpferisch.

Nur drei Tage nach der Pleite gegen Aufsteiger RB wusste der Trainer, dass er gegen den anderen Aufsteiger nur mit einem überzeugenden Auftritt Rückendeckung innerhalb des Clubs erhalten würde. „Ich kann zu hundert Prozent bestätigen, dass die Mannschaft will. Entscheidend ist, dass ich das Vertrauen in mich und meine Spieler habe“, glaubte Labbadia vor der Begegnung an die Rückendeckung des Teams.

Die Verunsicherung nach dem Fehlstart war der Elf um Kapitän Johan Djourou aber anzumerken. Vor allem in den ersten zehn Minuten schlichen sich immer wieder kleinere Fehler ein. In den Zweikämpfen agierten die HSV-Profis dafür kompromisslos. 60 Prozent der direkten Duelle gingen in der Anfangsphase an den HSV. Glück hatten die Hamburger, als Djourou einen Schuss von Vincenzo Grifo beinahe ins eigene Tor gelenkt hätte (21.).

Labbadia musste seine Startelf im Vergleich zum Leipzig-Debakel verändern. Linksaußen Filip Kostic fiel aufgrund von Leistenproblemen kurzfristig aus. Für den Serben durfte Neuzugang Luca Waldschmidt erstmals von Beginn an ran. Zudem ließ Labbadia überraschend Lewis Holtby auf der Bank. Der Schwede Albin Ekdal durfte im defensiven Mittelfeld an der Seite von Gideon Jung spielen. Aaron Hunt, von den eigenen Fans gegen Leipzig noch ausgepfiffen, spielte erneut hinter der einzigen Spitze Bobby Wood. Eine defensive Ausrichtung, die zunächst auf Sicherheit bedacht war. Von Beginn an spielte der HSV abwartend und überließ den Freiburgern den Spielaufbau. Weil die Hausherren aber auch nicht gewillt waren, die Initiative zu ergreifen, entwickelte sich ein höhepunktarmes Spiel.

Das sollte sich in der 37. Minute ändern, als Wood nach einem langen Ball und einem Stellungsfehler von Nicolas Höfler plötzlich frei vor Alexander Schwolow auftauchte. Aus elf Metern überwand Wood zwar den Torhüter, scheiterte aber letztlich am Innenpfosten. Die Freiburger waren nur über Standardsituationen oder den quirligen Linksaußen Grifo gefährlich.

Vor allem die Rückkehr von Ekdal im defensiven Mittelfeld sollte den HSV stabilisieren. Der 27-Jährige gewann im Mittelfeld auch viele Zweikämpfe und mühte sich, die Chefrolle einzunehmen. Doch Richtung Freiburger Tor trauten sich die Hamburger wenig bis gar nichts zu. Weil auf der anderen Seite auch der Aufsteiger bemüht, aber wenig kreativ agierte, verflachte die Partie zu Beginn der zweiten Hälfte immer mehr.

SCF-Trainer Christian Streich reagierte und brachte in der 68. Minute Nils Petersen. Nur 54 Sekunden nach seiner Einwechslung hatte der Torjäger seinen großen Auftritt. Weil Torwart René Adler einen Distanzschuss des überragenden Grifo abprallen lassen musste, konnte Petersen aus kurzer Distanz zum 1:0 abstauben (1:0). Ausgerechnet Petersen! Der 27-Jährige hatte schon zu seinen Bremer Zeiten den HSV bei den Nordderbys mit seinen Toren geärgert.

Und wieder war es die verflixte zweite Halbzeit. Gegen Ingolstadt kassierten die Rothosen beim Saisonstart nach dem Wiederanpfiff den 1:1-Ausgleich, bei Bayer Leverkusen und gegen RB Leipzig verlor der HSV jeweils die Partien. Und noch eine Negativ-Statistik: Acht der neun Gegentore in dieser Serie erzielten Einwechselspieler.

Würden Labbadias Spieler dieses Mal die Wende schaffen? Die Antwort, die die Profis auf den nächsten Rückschlag gaben, war erschütternd. Keine Gegenwehr, kein Aufbäumen, einfallsloses Gekicke – das war Angsthasenfußball. Die Freiburger waren dem 2:0 näher als die Hamburger dem Ausgleich. So nähert sich die zweite Amtszeit des HSV-Trainers bei nur einem Punkt aus den ersten vier Spielen dem Ende.

Spekulationen um André Villas-Boas als Nachfolger

Schon jetzt gibt es Spekulationen über seinen möglichen Nachfolger: Ein Name ist André Villas-Boas (38). Der frühere Chelsea-Trainer ist derzeit arbeitslos. Als Sportchef von Zenit Sankt Petersburg holte HSV-Chef Beiersdorfer den Portugiesen nach Russland.

Die Trainerdiskussion nicht nachvollziehen kann Torwart René Adler. „Vor zehn Monaten war Bruno Labbadia noch der Retter, der Hamburger des Jahres. Jetzt ist er der Sündenbock. Der Trainer macht einen tollen Job. Wir Spieler sind es, die Scheiße bauen und es auf dem Platz derzeit nicht hinbekommen.“