Hamburg. Der technisch starke Südkoreaner des FC St. Pauli gibt sein erstes Interview auf Deutsch. Klare Rollenverteilung in der WG mit seinem Bruder

Es war kurz vor 14 Uhr im Medienraum an der Kollaustraße, als in Kyoungrok Choi der Perfektionist zum Vorschein kam. „Habe ich viele Fehler gemacht“, fragte der Südkoreaner des FC St. Pauli Hannes Bühler aus der Medienabteilung. Als dieser ihm bescheinigte, er habe sein erstes Interview in komplett deutscher Sprache hervorragend gemeistert, lächelte der 21-Jährige erleichtert und gab zu: „Ich war ganz schön nervös.“

Über viel Medienerfahrung verfügte Choi bisher wahrlich nicht. Über kaum einen Spieler des Kiezclubs ist in der Öffentlichkeit so wenig bekannt wie über den Offensivspieler. Dabei ist seine Geschichte durchaus spannend. In Seoul geboren, entdeckte Choi schon früh die Liebe für den Fußball. Anders als in Deutschland, ist der Nachwuchs in Südkorea in erster Linie über Schulmannschaften organisiert. An der „Ajou University“ in Suwon fiel schnell die Begabung von Choi auf. „In der Schule war ich nicht schlecht, ich habe immer sehr hart an mir gearbeitet. Ich wollte unbedingt nach Europa“, sagt Choi, der 2014 zum FC St. Pauli kam und prompt für eine hollywoodreife Story sorgte.

Bei seinem Zweitligadebüt gegen Fortuna Düsseldorf erzielte Choi im Millerntor-Stadion zwei Treffer. Zudem bereitete er beim 4:0 den vierten Treffer von Daniel Buballa vor. „Das war am 6. April 2014“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Das war ein geiler Tag für mich.“ Innerhalb kürzester Zeit entstand ein wahrer Choi-Hype. Koreanische Fernsehsender berichteten über ihn, die Fans sahen im Offensivallrounder einen neuen Heilsbringer und es kam das wilde Gerücht auf, Bayer Leverkusen habe ein Auge auf Choi geworfen.

Seitdem stagnierte der hochveranlagte Profi jedoch in seiner Entwicklung. Sein Talent ist intern unbestritten, die Schusstechnik des Linksfußes sucht im Team seinesgleichen. „Die Zweite Liga ist hart, man muss viel kämpfen. Deshalb absolviere ich mit unserem Fitnesstrainer Janosch Emonts und auch alleine Extraeinheiten im Kraftraum, um meinen Oberkörper und meine Beine zu stärken“, sagt Choi, der zuletzt gegen Arminia Bielefeld 90 Minuten spielen durfte und dabei ein reguläres Tor aberkannt bekam. „Es ist eine wichtige Saison für den Verein, aber auch für mich persönlich. Ich will so viel wie möglich spielen, deshalb arbeite ich an meinen Schwächen. Mein Traum ist die Nationalmannschaft“, sagt Choi.

Auch privat könnte er kaum glücklicher sein. Sein Vater Jongwuk ist derzeit zu Besuch und sorgt im Hause Choi für kulinarische Köstlichkeiten. „Mein Vater arbeitet in Südkorea als Koch, und bei uns gibt es Reis und leckere Suppen“, erzählt Choi, der zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Kangmin, der bei Eintracht Norderstedt in der Oberliga spielt, eine WG gegründet hat. „Wenn unser Vater wieder abreist, koche ich, und mein Bruder darf den Abwasch machen“, scherzt Choi, der in seiner Freizeit gern Hip-Hop-Musik hört und koreanische Bücher liest. „Mein Bruder ist wie ein Mentor für mich, auch wenn ich ihn immer an der Playstation schlage“, erzählt Choi, der sich bei Auswärtsfahrten mit Fabrice-Jean „Fafa“ Picault ein Zimmer teilt. „Ich werde immer zweimal pro Nacht wach, weil er so schnarcht, aber ich will keinen anderen Mitbewohner. Fafa ist lustig“, sagt Choi, den zudem mit Teamkamerad Maurice Litka eine enge Freundschaft verbindet.

Sein großes Ziel ist die Bundesliga. „Mit St. Pauli wäre es perfekt“, sagt Choi, auch wenn dann mehr Interviewanfragen auf ihn zukämen. Aber Übung macht bekanntlich den Meister.

Die Partien des fünften Zweitliga-Spieltags: Fr, 18.30 Uhr: Bochum – Nürnberg, Fürth – Würzburg, 1860 München – Union Berlin; Sa, 13 Uhr: Braunschweig – Sandhausen, Kaiserslautern – VfB Stuttgart, Heidenheim – Düsseldorf; So, 13.30 Uhr: Karlsruhe – FC St. Pauli, Bielefeld – Hannover, Dresden – Aue.