Hamburg. Erstmals starten acht Hockeyteams aus der Stadt in die Feldbundesligasaison. Ein Erklärungsversuch

Das letzte Wort hatte Christoph Bechmann. „Es liegt daran, dass wir hier die beste Trainingsarbeit machen“, sagte der für seine feinsinnige Ironie bekannte Chefcoach der Hockeyherren des Harvestehuder THC, und dem wollten seine sieben Hamburger Bundesliga-Amtskollegen natürlich nicht widersprechen. Die Frage war gewesen, wieso Hamburg seit vielen Jahren eine herausragende Rolle in den Hockey-Bundesligen spielt, und um sie zu beantworten vor dem Start der Feldsaison 2016/17 an diesem Wochenende, braucht es mehr als Ironie, auch wenn in Bechmanns Worten durchaus ein Teil der Wahrheit steckte.

Fakt ist: In dieser Spielzeit stellt die Hockey-Hauptstadt acht Teams in den Zwölferligen der Damen und Herren. Seit Einführung der eingleisigen Bundesliga zur Saison 2003/04 hat es das noch nicht gegeben. Bei den Damen starten der amtierende deutsche Meister Uhlenhorster HC, der Club an der Alster, der Harvestehuder THC und der Großflottbeker THGC. Bei den Herren sind UHC, HTHC, Alster und Aufsteiger Klipper THC dabei.

Die Gründe dafür, warum sich Hamburg zur Hochburg entwickelt hat und diese Stellung noch auszubauen weiß, kann Christian „Büdi“ Blunck in wenigen Worten zusammenfassen. „Hamburg ist eine faszinierende Stadt, die neben den sportlichen Voraussetzungen auch noch die Möglichkeit bietet, sich beruflich oder im Studium zu entwickeln“, sagte der 48 Jahre alte Olympiasieger von 1992, der beim Klipper THC mit Peter Krueger als Trainer-Doppelspitze fungiert. Die gesellschaftliche Akzeptanz, die Hockey in der Stadt erfahre, trage dazu bei, dass der Sport viel mehr wahrgenommen werde als an Standorten wie Mannheim oder Köln, die mit größerer Finanzkraft wuchern können.

Dass eine solche Ballung an Topclubs auch einen Kannibalisierungseffekt nach sich ziehen könnte, ist allen Beteiligten bewusst. „Aber ich sehe die Konkurrenzsituation eher als Vorteil. Konkurrenz belebt das Geschäft, und die Clubs haben alle unterschiedliche Konzepte, sodass wir sehr gut neben­einander existieren können“, sagte Bechmann (44), der mit den HTHC-Herren 2014 Feldmeister wurde und im Europapokal auf dem Feld und in der Halle triumphierte. Ein Spieler, der bei dem einen Club nicht zurechtkomme, könne bequem wechseln, ohne dafür die Stadt verlassen zu müssen. Claas Henkel (37), Chefcoach der UHC-Damen, bestätigte das: „Großflottbek und der HTHC haben sich etabliert, ohne dass das auf Kosten der beiden Topclubs Alster und UHC passierte. Das unterstreicht die große Bandbreite in Hamburg und spricht außerdem für die gute Jugendarbeit in der Stadt.“

Diese ist tatsächlich ein Merkmal, das mittlerweile alle Clubs eint. Vorreiter ist der UHC, der es in beiden Leistungsmannschaften seit Jahren schafft, Abgänge wie in diesem Sommer den von Sturmtalent Niklas Bruns zu Alster mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs aufzufangen. Aber auch die Rivalen vom HTHC und Alster haben die Notwendigkeit eines funktionierenden Ausbildungssystems verinnerlicht.

Einen weiteren Vorteil der Leistungsdichte hat der ehemalige Damen-Bundestrainer Michael Behrmann (49) erkannt. „Dadurch, dass wir uns untereinander gut verstehen, können wir uns in der Spielvorbereitung und Gegneranalyse unterstützen“, sagte der Großflottbeker Chefcoach, „außerdem haben wir jederzeit die Möglichkeit, hochklassige Testspiele untereinander auszutragen. Das hebt das Niveau der Trainingsarbeit und ist ein Vorteil gegenüber Clubs aus anderen Städten.“

Interessant ist in dieser Hinsicht, wie die auswärtige Konkurrenz auf die Hockey-Hauptstadt blickt. André Henning (32), Cheftrainer beim deutschen Herren-Feldmeister Rot-Weiß Köln und von allen vier Hamburger Kollegen zum klaren Favoriten auch in dieser Spielzeit ausgerufen, hatte in der Saison 2014/15 als Co-Trainer bei Alster Einblick in das Hamburger System nehmen können. „Hockey hat in Hamburg einen enormen Stellenwert. Der Sport passt mit seiner akademischen Ausrichtung sehr gut in die Stadt, die Vereine bieten tolle Netzwerke, außerdem hilft es, eine große Gemeinde an aktiven und ehemaligen Spielern zu haben, um sich wohlzufühlen“, sagte er.

Was Henning am meisten überraschte, war das Verhältnis der Vereine untereinander. „Hamburg agiert nach außen als geschlossene Einheit. Die Nähe zwischen den Spielern verschiedener Clubs fand ich nicht selbstverständlich“, sagte er. Umso erstaunlicher, dass gerade das Binnenverhältnis von den Hamburger Trainern noch als ausbaufähig bezeichnet wird. „Wir sind noch keine homogene Gemeinschaft“, sagte Blunck, „wir könnten noch stärker sein, wenn wir mehr zusammenarbeiten würden.“ Die Frage ist, ob es den Bundesligen guttäte, wenn Hamburgs Dominanz noch stärker würde.

Auftaktspiele der Hamburger Clubs: Herren: HTHC und Alster bei Tus Lichterfelde und dem Berliner HC, UHC und Klipper beim Mannheimer HC und dem TSV Mannheim. Damen: HTHC und Alster in Lichterfelde und beim BHC, UHC und Großflottbek in Rüsselsheim und beim Mannheimer HC.