New York. Der Schweizer besiegt den Weltranglistenersten Djokovicin vier umkämpften Sätzen

Stanislas Wawrinka tippt sich nach gelungenen Ballwechseln oft mit dem Zeigefinger an die Stirn, als wolle er seinem Gegner den Vogel zeigen. Mangelnden Respekt soll diese Geste natürlich nicht bekunden, sie ist für ihn selbst gedacht. Wawrinka sagt sich: „Jetzt, in diesem Moment, bin ich voll da. Nichts kann mich gerade stoppen!“ Im Finale der US Open gegen Novak Djokovic (29) tippte sich Wawrinka besonders häufig an die Stirn.

Später im Bauch des Arthur-Ashe-Stadium erklärte der Schweizer, wie er das „mentale Monster“ Djokovic in einem faszinierenden, zermürbenden Schlagab­tausch bezwungen hatte, die silberne Trophäe stand vor ihm auf dem Tisch. „Ich habe versucht, hart gegen mich selbst zu sein. Ich habe versucht, keine Schwäche zu zeigen, keinen Schmerz zuzulassen“, sagte Wawrinka nach dem 6:7 (1:7), 6:4, 7:5, 6:3. Fünf Stunden zuvor hatte er wie ein Häufchen Elend in der Kabine gesessen, er sei so nervös gewesen, dass er angefangen habe zu weinen, aber er wollte einfach nicht verlieren, erzählte Wawrinka.

Der 31-Jährige, ältester US-Open-Champion seit dem Australier Ken Rosewall 1970, ließ tief blicken, als er über seine Leidensfähigkeit sprach. „Dieses Turnier war das schmerzhafteste, das ich jemals gespielt habe. Physisch und mental“, sagte Wawrinka. Knapp 18 Stunden stand er auf dem Platz, neun mehr als Djokovic, der als erster Spieler in der Geschichte des Profitennis bei einem Grand Slam nach drei Absagen oder Aufgaben ins Halbfinale eingezogen war. Und er spielte 27 Sätze, zehn mehr als sein Kontrahent. In der dritten Runde musste er gegen den Briten Daniel Evans einen Matchball abwehren.

Der Weltranglistenerste aus Serbien, seit Wochen von kleineren Verletzungen und Problemen geplagt, physisch wie psychisch angeschlagen, schien von dieser Hingabe beeindruckt, wenn nicht sogar eingeschüchtert zu sein. Im gesamten Match gelang ihm nur ein Punkt weniger, doch wenn es darauf ankam, tippte sich Wawrinka wieder an die Stirn. 14 von 17 Breakbällen wehrte er ab und entnervte den sonst so selbstsicheren Djokovic zunehmend, bis der kein anderes Mittel mehr sah und sich aufgrund eingewachsener Zehennägel im vierten Satz eine Notfall-Auszeit nahm. Nicht die feine Art, aber erlaubt.

Wawrinka, den selbst Krämpfe plagten, regte sich kurz auf, kehrte auf den Court zurück und vollendete sein Werk.