Hamburg. Bei St. Paulis hart erkämpftem 2:1 gegen Arminia Bielefeld ist der Stürmer der entscheidende Spieler

Alexander Berthold

Auch am Sonntagvormittag war den Fußballprofis des FC St. Pauli bei ihrer üblichen regenerativen Radtour durch das Niendorfer Gehege noch die Freude und vor allem Erleichterung anzumerken. Einen Tag nach dem ersten Zweitliga-Saisonsieg blühte der Flachs unter den Spielern auf ihren Mountainbikes. Das hart erkämpfte, in letzter Minute der regulären Spielzeit sichergestellte 2:1 (1:0) gegen Arminia Bielefeld am Sonnabend hatte vor allem eine befreiende Wirkung ausgelöst. „Solche Siege schmecken noch einmal besser, wenn man in der Schlussminute das Siegtor erzielt“, sagte Offensivspieler Waldemar Sobota, der mit einem perfekt dosierten Außenristpass auf Torschütze Aziz Bouhaddouz das 1:0 vorbereitet hatte. „Diese Emotionen haben wir jetzt gebraucht“, sagte er.

Innenverteidiger Lasse Sobiech betonte ebenfalls den emotionalen Aspekt. „Das sind die Spiele, die wir so gerne gewinnen. Das wollen die Fans sehen. Es sind riesige Gefühle, wenn wir nach dem Siegtor alle aufeinander springen“, sagte er und dachte dabei auch an die schwierige Situation, in die sich die St. Paulianer durch die drei Niederlagen in den ersten drei Punktspielen der Saison 2015/16 gebracht hatten. „Wir nehmen alles mit, was uns hochziehen kann. Wir haben uns mit den strittigen Aktionen nicht lange aufgehalten, sondern weiter Gas gegeben.“

Entscheidende Figur des ersten Punktspielsieges der Saison war St. Paulis Stürmer Aziz Bouhaddouz, der vor vier Wochen in Stuttgart das erste und bis Sonnabend einzige Tor für St. Pauli erzielt hatte. Nach seinem Treffer zum 1:0 (38.), als er bei seinem Alleingang auf das Bielefelder Tor Schlussmann Wolfgang Hesl noch mit einem Übersteiger düpierte, legte er per Kopf nach einer Flanke von Außenverteidiger Vegar Eggen Hedenstad den Ball für den eingewechselten Außenbahnspieler und Siegtorschützen Cenk Sahin auf.

Für den 29 Jahre alten Bouhaddouz, der in diesem Sommer vom SV Sandhausen ans Millerntor gewechselt war, endeten damit zehn aufregende Tage. Am Mittwoch vorvergangener Woche hatte er im Spiel gegen Albanien sein Debüt für die A-Nationalmannschaft Marokko gegeben, drei Tage später hatte er im Afrika-Cup-Qualifikationsspiel gegen Sao Tomé und Principe auch seinen ersten Treffer für Marokko erzielt. Und nun ließ er am Sonnabend sein zweites Tor und seine erste Torvorlage für St. Pauli in der Zweiten Liga folgen.

Bouhaddouz war zwei Tage vor dem Spiel noch erschöpft

„Ich hätte heute Torschützenkönig werden können“, scherzte Bouhaddouz nach dem Abpfiff. Es klang ein wenig Selbstkritik in diesen Worten mit, denn schon 16 Minuten vor seinem Treffer war er im Strafraum frei an den Ball gekommen, hatte aber verzogen. „Wir haben es heute spannend gemacht, aber alles andere als ein Sieg wäre heute sehr bitter gewesen. Wir haben uns einige Tormöglichkeiten erarbeitet, was in den vergangenen Wochen so nicht der Fall gewesen ist“, sagte Bouhaddouz.

Noch in den Tagen zuvor war nicht absehbar gewesen, dass der robuste Stürmer derart auftrumpfen könnte. Nach seiner Länderspielreise wirkte er müde und erschöpft. „Bei einem Training sah das gar nicht gut aus. Dann haben wir ihn einen Tag aus dem Training genommen, das hat sich gelohnt“, berichtete St. Paulis Trainer Ewald Lienen. So war Bouhaddouz bis in die Schlussphase bei Kräften und konnte das entscheidende Kopfballduell gewinnen.

Damit ermöglichte er Neuzugang Cenk Sahin dessen erstes großes Erfolgserlebnis im Dress des FC St. Pauli. „Das war ein Highlight für mich und der erste Schritt hier bei St. Pauli“, sagte der türkische U-21-Nationalspieler. „Es war ein besonderes Erlebnis, vor fast 30.000 Zuschauern zu spielen. Zuletzt bei Basaksehir waren es im Schnitt vielleicht 3000“, sagte der flinke Offensivspieler. „Man hat gesehen, dass er uns richtig helfen kann, wenn er frisch ins Spiel gehen kann“, sagte Lienen, der Sahin für den nicht minder schnellen Ryo Miyaichi eingewechselt hatte.

Vor dem glücklichen und als Befreiung empfundenen Ende des Spiels hatte die Mannschaft des FC St. Pauli einige Rückschläge verkraftet, an denen sie an schlechteren Tagen verzweifelt wäre. Kapitän Sören Gonther musste nach einem Pressschlag mit einer Verletzung des rechten Knies schon in der Anfangsphase ausgewechselt werden. Dazu verweigerte der schwache und auf Bielefelder „Schwalben“ hereinfallende Schiedsrichter Robert Kempter einen Strafstoß bei einem Foul an Bouhaddouz und erkannte ein reguläres Tor von Kyoungrok Choi wegen angeblicher Abseitsposition nicht an. „Es war großartig, dass die Spieler sich von diesen Nackenschlägen nicht aus der Ruhe haben bringen lassen, sondern solche Mentalität gezeigt und das Spiel für sich entschieden haben“, sagte St. Paulis Sportchef Thomas Meggle. „Wir haben gesehen, dass wir Spiele gewinnen, wenn wir zehn Prozent mehr machen.“ Das war denn auch als Botschaft für die nächsten Aufgaben zu verstehen.