Leipzig. Mit einem beeindruckenden Sieg gegen den BVB untermauert RB Leipzig seine enormen Ambitionen

Der Mann, der Derricks Wagen vorfuhr, hieß so. Wie genau die Begeisterung von Menschen mit diesem Namen aussieht, ist nicht ganz klar. Außer vielleicht, dass sie wohl riesig ist. „Wir freuen uns wie Harry“, sagte Timo Werner, was lustig ist, weil Timo Werner ein junger Kerl von 20 Jahren ist, der Derrick für einen Hundenamen halten dürfte und dem man andere als jene etwas angestaubte Redewendung zutrauen würde, um sein schier endloses Glück zu beschreiben. Aber die Worte sprudelten aus ihm heraus: frisch, mutig, selbstbewusst. Ganz so, wie er und seine Mannschaftskollegen von RB Leipzig in den 90 Minuten zuvor Fußball gespielt hatten.

Nicht weniger als ein kleines Spektakel legte das viel kritisierte Projekt beim 1:0 gegen Dortmund hin. Eines, das aufhorchen lässt – aus drei Gründen. Da wäre das Ergebnis als solches, das als Überraschung gelten durfte, weil recht klein gegen sehr groß antrat. Da wäre zweitens die Art und Weise, wie es zustande gekommen war. Nämlich keineswegs zufällig oder über alle Maßen glücklich, sondern durchaus verdient. Und drittens wäre da noch zu erwähnen, wie später auf Leipziger Seite über das Ergebnis und die Art und Weise des Zustandekommens geredet wurde.

„Die Einwechslungen haben noch einmal den Punch gebracht“, sagt Ralph Hasenhüttl. „Solche Spiele werden entschieden, wenn der Gegner müde wird. Da konnten wir Qualität nachlegen.“ Sagt der Trainer eines Aufsteigers, während er sich die Hitze des Sieges aus dem Gesicht fächert, über das Duell gegen den Vizemeister und Champions-League-Teilnehmer aus Dortmund. Leipzig verschiebt die Dimensionen.

Das war durchaus erwartet worden, aber die Geschwindigkeit, mit der das nun zu sehen ist, erstaunt. 2009 wurde der Verein gegründet, er startete mit dem Geld eines österreichischen Zuckersaft-Imperiums in der Oberliga. Sieben Jahre später schießt sich der Club zu seinem ersten Bundesliga-Sieg. „Abartig“ sei der Lärmpegel im Stadion beim Treffer gewesen, sagte Hasenhüttl.

RB Leipzig mag ein künstlich entwickelter Club sein, die Begeisterung der Menschen vor Ort ist echt. Der Jubel ging hinaus in den Rest der Fußball-Republik. Er klang wie: Schaut uns an!

Geschossen hatte das Tor in der 89. Minute Stürmer Naby Keita, im Sommer für 15 Millionen Euro verpflichtet. Die Vorlage hatte Oliver Burke geliefert, gerade erst für zwölf Millionen Euro nach Leipzig transferiert. Den Ballgewinn im Mittelfeld zuvor verzeichnete Emil Forsberg, der kostete vor anderthalb Jahren vier Millionen Euro. Alle drei waren von Hasenhüttl eingewechselt worden. Rund 30 Millionen von der Bank. „Ich habe den Spielern gesagt, dass es nicht reicht, nur zu merken, dass man mithalten kann. Sie sollten daran glauben, dass sie den BVB besiegen können“, sagte der Trainer. Ein paar Meter weiter stand Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick und erklärte wortreich, dass noch längst nicht alles perfekt gelaufen sei. Schöne Aussichten.

„Angst habe ich keine“, sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel über den Gegner, der konzipiert wurde, ein Riese zu sein. Einer, der schon bald Europa im Visier hat. Am Sonnabend erlebte der rasant Heranwachsende einen erheblichen Wachstumsschub. Er scheint schon jetzt größten Aufgaben gewachsen. Ob er es ist, zeigt sich vermutlich erst, wenn die kleinteiligen Aufgaben des Bundesligaspielplans anstehen. Leipzig habe „ambitionierte Ziele, aber auf dem Weg dorthin gilt es, Schritt für Schritt zu nehmen“, mahnte Tuchel.

Es müssen ja aber nicht immer zwei Schritte auf einmal sein, wenn man nur schnell genug läuft. Timo Werner läuft schnell, das hat er mit den meisten seiner Hochgeschwindigkeitskollegen gemein. „Wir wissen, was wir können, wir wissen, dass wir jede Mannschaft schlagen können“, sagt der Offensivmann. Für diese Meinung sei er vor gar nicht allzu langer Zeit ausgelacht worden. Nun nicht mehr. Gefahr ist in Verzug.

Die erste Dortmunder Saison­niederlage war indes ein Spiegelbild der Leistung von Mario Götze. Der Weltmeister hatte bei seinem BVB-Comeback nach 1239 Tagen in 71 Minuten Einsatzzeit 8,72 Kilometer Laufleistung abgespult, 37 Ballkontakte und 63 Prozent gewonnene Zweikämpfe verbucht, war oft anspielbereit. Doch spielerische Akzente konnte er kaum setzen.

Thomas Tuchel nahm seinen Rückkehrer in Schutz: „Ich finde, dass Mario in der ersten Halbzeit ein sehr gutes Spiel gemacht hat. In der zweiten wurde es zunehmend schwerer für ihn, auch körperlich bedingt.“ Vor dem Champions-League-Spiel bei Legia Warschau (Mi.) hat Tuchel auch keine grundsätz­lichen Zweifel: „Es überwiegt die Vorfreude, es ist die Belohnung für die herausragende letzte Saison. Das muss das dominierende Gefühl sein. Wir haben keinen Grund zur Sorge. Die Fehler sind nicht so elementar, dass man alles infrage stellen muss.“