Rio de Janeiro. Im Kugelstoßen gewann der nur 1,35 Meter kleine 21-Jährige bei den Paralympics das erste Gold für Deutschland

Für den zweiten Knalleffekt des Tages sorgte Niko Kappel kurz vor Mitternacht. Mit der im Deutschen Haus überreichten Magnum-Flasche Sekt spritzte der 21-Jährige erst einmal die komplette Prominenz nass und nahm anschließend einen kräftigen Schluck aus der Pulle, die fast so groß war wie er selbst. „Als ich das Ding in der Hand hatte, dachte ich sofort an die Sieger bei der Formel 1. So wie die wollte ich immer schon mal feiern“, sagte Deutschlands erster Paralympicssieger: „Leider bin ich nicht so geübt. Von dem Knall bin ich ganz schön erschrocken, das meiste habe ich mir übergekippt.“

Und nach nur einer Nacht als Paralympicssieger musste sich Tausendsassa Kappel gleich einer neuer Disziplin stellen. Am Freitag stieß er am Strand Kokosnüsse statt Kugeln in den Sand. „Das mache ich sofort. Darauf habe ich Bock“, sagte Kappel spontan, als er von einem TV-Team darum gebeten wurde.

Der „Bonsai“ genannte Kugelstoßer ist für jeden Spaß zu haben, und Anfragen dieser Art werden sich mehren in den kommenden Wochen. Denn mit seinem überraschenden Gold-Stoß im Olympia-Stadion von Rio hat sich der Bekanntheitsgrad Kappels schlagartig gesteigert. Schon als er am Donnerstag unter lautem Applaus ins Deutsche Haus kam, rissen sich alle um den 1,35 m kleinen Mann, der plötzlich der Größte war. Genauso geduldig, wie er zuvor die Dopingprobe hinter sich gebracht hatte, beantwortete er alle Fragen und nahm sämtliche Glückwünsche entgegen.

Seinen Emotionen hatte der Schwabe, der für die CDU im Gemeinderat von Welzheim sitzt, schon im Stadion freien Lauf gelassen. Immer wieder schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, dann küsste er den Abstoßbalken und lief mit einer großen Deutschland-Fahne um die Schultern eine Ehrenrunde – vor Aufregung hatte er diese aber erst mal falsch herum gehalten.

Ein einziger Zentimeter war es letztlich gewesen, der ihn statt des scheinbar übermächtigen polnischen Weltrekordlers Bartosz Tyszkowski zum Paralympicssieger machte. „Niko würde sagen, in seiner Größenordnung ist ein Zentimeter ein gutes Stück“, meinte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher. Niko Kappel lacht über solche Späße am lautesten. Die Selbstironie ist dem „Sonnenschein von Welzheim“ („Stuttgarter Zeitung“) ebenso in die Wiege gelegt worden wie die Frohnatur. „Meine Kollegen sagen, wenn ich mal einen Tag nicht lache, stimmt was nicht“, sagte er. Das habe er von seinen Eltern Heike und Thomas, die in Rio auf der Tribüne mitfieberten: „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn ich größer wäre. Ich bin froh, so zu sein, wie ich bin.“ Völlig normal ist es auch, dass er in Sindelfingen mit normal großen Athleten trainiert. „Die anderen sind einfach ein bisschen weniger behindert als ich ...“, sagte er.

Für die vierte deutsche Medaille sorgte Leichtathletin Claudia Nicoleitzik aus Püttingen. Über 100 m der Klasse T36 gewann die 26-Jährige Silber. Nicoleitzik lief im Olympia-Stadion in 14,64 Sekunden persönliche Bestzeit, musste sich nach einem starken Rennen nur der Argentinierin Yanina Andrea Martinez (14,46) geschlagen geben. Martha Florian-Hernandez aus Kolumbien (14,71) holte Bronze.

Für die Rollstuhl-Basketballer ist der Auftakt missglückt. Nachdem das Team zunächst überraschend 63:69 gegen den Iran verloren hatte, gab es am Freitag eine deutliche 52:77-Niederlage gegen die USA.