Hamburg. Im Test bei Dynamo Berlin geht es für den HSV um Wiedergutmachung. Die Stimmung im Fanlager ist gereizt

Als Trainer Bruno Labbadia seine Spieler am Freitagvormittag zum abschließenden Sprinttraining schickte, durfte sich der Neue bereits die Beine lockern lassen. Linksverteidiger Douglas Santos (22) hatte zuvor erstmals mit seinem neuen Team ein Trainingsspiel bestritten. Am Sonnabend im Test beim BFC Dynamo in Berlin (18 Uhr/Jahn-Sportpark), dem Tabellenachten der Regionalliga Nordost, wird der Olympiasieger das erste Mal für den HSV auflaufen. Entsprechend gut gelaunt präsentierte sich der Brasilianer an seinen ersten beiden Tagen in Hamburg. Für den 6,5 Millionen Euro teuren Zugang geht es in Berlin darum, sich mit seinen Kollegen einzuspielen; für seine Kollegen dagegen um deutlich mehr: um Wiedergutmachung.

Nur eine Woche nachdem der HSV mit gefühlter Euphorie in die neue Saison startete, hat sich die Stimmung rund um den Verein deutlich gedreht. Auf das uninspirierte 1:1 zum Ligaauftakt gegen den FC Ingolstadt folgte unter der Woche ein lustloser Auftritt im Freundschaftsspiel beim Fünftligisten NTSV Strand 08. Das blamable 2:2 in Timmendorf ließ zwar Trainer Labbadia vorübergehend verstummen, brachte viele Fans dafür in Rage. In Fanforen und sozialen Medien machten HSV-Anhänger ihrem Ärger Luft.

Sportchef Beiersdorfer nimmt seine Spieler in die Pflicht

Reizthema Nummer eins ist die mangelnde Einstellung der Spieler. In Abwesenheit der Nationalspieler sind die Testspiele für die Reservisten des Saisonauftakts wie Stürmer Pierre-Michel Lasogga oder Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier eine Chance, sich für die Startelf aufzudrängen. Doch davon war gegen Strand nichts zu sehen. „Unsere Einstellung hat mir nicht gefallen. So dürfen wir nicht auftreten“, schimpfte Rückkehrer und Torschütze Lewis Holtby bereits nach dem Schlusspfiff. Am Tag danach sendete auch Sportchef Dietmar Beiersdorfer ein deutliches Signal an die Mannschaft. „Das Spiel sollte uns eine Lehre sein, dass wir zukünftig mit einer anderen Einstellung in solch eine Begegnung gehen.“

Trainer Labbadia hatte die Mentalität seiner Mannschaft bereits vor zwei Wochen öffentlich infrage gestellt. „Wir erleben hier jetzt mal eine leichte Form des Konkurrenzkampfes. Damit kommen nicht alle zurecht“, sagte der 50-Jährige, nachdem einige Akteure in der täglichen Arbeit die von ihm erwartete Einstellung vermissen ließen. „Jeder nimmt so eine Situation anders auf. Beleidigt zu sein ist von allen Reaktionen die schlechteste“, sagte Labbadia in Richtung seiner Spieler.

Der HSV hatte mit den Verpflichtungen der Potenzialspieler Filip Kostic (23), Alen Halilovic (20), Bobby Wood (23) und Luca Waldschmidt (20) bewusst auf eine größere und flexiblere Auswahl in der Offensive gesetzt. „Wir wollen uns gegenseitig zu Höchstleistungen hochjagen“, sagte Labbadia.

Nun ist es allerdings eben jener Konkurrenzkampf in der Offensive, der sich zum zweiten Reizthema entwickelt hat. Genauer gesagt geht es um die bislang geringe Einsatzzeit von Halilovic. Der kleine Kroate, dessen Wechsel vom FC Barcelona zum HSV vor sechs Wochen die Euphorie in Hamburg ausgelöst hatte, kam bislang nicht über den Status des Ersatzmannes hinaus. Labbadia plant mit dem 20-Jährigen bislang als Back-up für Rechtsaußen Nicolai Müller. Viele Fans, die Halilovic zum Hoffnungsträger auf einen attraktiveren Fußball des HSV auserkoren haben, können das nicht nachvollziehen. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, ob der Wirbelwind nun auf der rechten Seite spielt oder in der Mitte, es geht darum, dass er überhaupt spielt.

Die Fans stehen mit dieser Auffassung nicht allein da. Nach Abendblatt-Informationen beobachten auch Teile des Aufsichtsrats und des Vorstands die Situation um Halilovic kritisch. Der Druck auf Labbadia dürfte zumindest zunehmen, sollte der HSV in den kommenden Wochen keine Ergebnisse erzielen. Clubchef Beiersdorfer weiß, dass der von Labbadia in der vergangenen Saison ausgerufene Weg der kleinen Schritte angesichts der erneuten Transferinvestitionen von mehr als 30 Millionen Euro deutlich schwerer zu vermitteln ist.

Beiersdorfer ist daher bemüht, dem ungeduldigen Umfeld des HSV mit Ruhe und Geduld zu begegnen. „Das Team muss jetzt zusammenwachsen“, sagte der 52-Jährige nach der abermals spät finalisierten Kaderzusammenstellung mit der Last-minute-Verpflichtung von Douglas Santos. Die Mannschaft nimmt Beiersdorfer aber gleichzeitig in die Pflicht. „Die Spieler müssen jetzt ihr Bestes geben und auch mal ihr Ego in der einen oder anderen Situation zurückzustellen.“

Ob die Botschaft bei den HSV-Profis angekommen ist, könnte sich bereits an diesem Sonnabend zeigen. Ein guter Auftritt in Berlin wäre allerdings nur Teil eins der Wiedergutmachung.