New York.

Angelique Kerber hatte die Frage erwartet, sie war vorbereitet. Am liebsten würde sie der Diskussion um Punkte und Plätze aus dem Weg gehen, doch sie weiß: so funktioniert das Geschäft nicht. Wenn der Tennis-Thron in Sicht ist, will die Welt wissen, was in der Nummer zwei vorgeht. Kerber holte also Luft, zwang sich zu lächeln und sagte: „Ich liebe diese Frage. Ich liebe sie.“

Mit einem Anflug von Sarkasmus versuchte Kerber, die Unbekümmertheit zu bewahren. Dabei weiß sie genau, was bei den US Open auf dem Spiel steht. Kerber hat es selbst in der Hand, die große Serena Williams (USA) an der Spitze der Weltrangliste abzulösen. Kerbers Kindheitsidol Steffi Graf ist noch immer die einzige Deutsche, die das WTA-Ranking angeführt hat – zuletzt im März vor 19 Jahren.

Natürlich spürt Kerber die Erwartungen, sie sagt selbst, dass sie „etwas größer“ sind als in den vergangenen Jahren: „Aber solange ich mich nicht selbst unter Druck setze, ist alles okay.“ In New York entspannte sich Kerber „wie eine Touristin“ im Central Park und auf einer Bootstour um die Freiheitsstatur.

Mit den Erfahrungen aus über einem Jahrzehnt auf der Profitour hat sich die 28-Jährige einen Schutzschild gebaut, hinter den sie sich zurückziehen kann, wenn die Welt um sie herum verrückt spielt. Den entscheidenden Baustein hatte sie nach dem WTA-Finale im vergangenen Jahr in Singapur hinzugefügt, als sie nur noch einen Satzgewinn zum Einzug ins Halbfinale brauchte und an sich selbst scheiterte: „Daraus habe ich eine Menge gelernt, da habe ich mir selbst viel zu viel Druck aufgeladen.“

Nun wolle sie nur genießen, sagt Kerber: die beste Saison ihrer Karriere mit dem Triumph bei den Australian Open, dem Finale in Wimbledon und der olympischen Silbermedaille. Ihr Erstrundenmatch an diesem Montag auf dem jetzt erstmals mit einem mobilen Dach ausgestattetem Arthur-Ashe-Court gegen die Slowenin Polona Hercog. Und dass sie überhaupt mit Williams in einem Atemzug genannt wird. „Wenn dann der Tag kommt und ich werde die Nummer eins, dann wird es überwältigend sein“, sagte die Kielerin.

Beim Turnier in Cincinnati (Ohio) in der vergangenen Woche hatte Kerber ihre erste Chance vergeben, weil sie im Finale verlor. Nach einer emotionalen Woche in Rio fehlte ihr die Energie, doch dort bewies Kerber, dass sie auch mit weniger als einhundert Prozent ihrer Leistungsfähigkeit weit kommen kann. „Das gibt mir viel Selbstvertrauen“, sagte sie.