Hamburg. Zwei Jahre nach der Ausgliederung hat der HSV dank Geldgeber Kühne ein neues, fragiles Stimmungshoch erzeugt

Über die Vergangenheit wollte Markus Kauczinski am Donnerstag nicht sprechen. Kalter Kaffee sei das. Nicht mehr wichtig. Die Vergangenheit, das war in diesem Fall der 1. Juni 2015. Der Tag, an dem Kauczinski nur um Haaresbreite, genauer gesagt aufgrund eines berühmten Freistoßpfiffs, Historisches verpasste: Den Sieg mit dem Karlsruher SC in der Relegation, der den erstmaligen Abstieg des HSV aus der Bundesliga bedeutet hätte.

Rund 15 Monate später ist Kau­czinski nun doch in der Bundesliga angekommen. Und gleich in seinem ersten Spiel als neuer Trainer des FC Ingolstadt trifft der 46 Jahre alte Fußballlehrer am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) zum Auftakt der neuen Bundesligasaison im Volksparkstadion auf den HSV. Der spielt auch im 54. Jahr in Folge im Oberhaus des deutschen Fußballs. Doch im Vergleich zum HSV aus dem Juni 2015 hat sich der HSV im August 2016 gewandelt. Besser ausgedrückt: Die Stimmung hat sich gewandelt. „Wir verspüren eine positive Stimmung. Die wollen wir mit in die Saison nehmen“, sagte am Donnerstag der Trainer, der für Hamburger Verhältnisse erstaunlicherweise derselbe ist wie im Juni 2015: Bruno Labbadia.

Dass vor dem Ligastart unter den Fans eine spürbare Euphorie entstanden ist, hat zwar auch bedingt mit Labbadia zu tun, der den HSV in den 18 Monaten seiner bisherigen Amtszeit stabilisieren konnte. Es hat weniger zu tun mit der langen Vorbereitung, in der die Mannschaft in den Testspielen kaum auf sich aufmerksam machen konnte. Es hat auch nichts zu tun mit den neuen rosa Auswärtstrikots. Es hat zu tun mit zwei Neuzugängen: Filip Kostic, 23, und Alen Halilovic, 20.

Fast 20 Millionen Euro hat der HSV in diesem Sommer für die beiden Offensivspieler investiert. Nach ihrem gelungenen Pflichtspieleinstand beim 1:0-Sieg im DFB-Pokal bei Drittligist FSV Zwickau haben die Fans berechtigte Hoffnungen, dass der HSV am Wochenende erstmals seit sechs Jahren wieder ein Bundesligaauftaktspiel gewinnt. Kostic und Halilovic sind die Gesichter des neuen HSV. Die Gesichter der neuen Transferausrichtung. „Wir haben unser Geld extrem in Potenzialspieler angelegt und sind den Weg ein Stück anders gegangen als in den letzten Jahren“, sagte Labbadia am Donnerstag.

Dass der HSV diesen Weg in dieser Investitionshöhe einschlagen konnte, hat er der neuen Vereinbarung mit Investor Klaus-Michael Kühne zu verdanken, der Sportchef Dietmar Beiersdorfer das Geld für die Millionentransfers zur Verfügung gestellt hat. So konnte Beiersdorfer bislang sieben Neuzugänge für rund 25 Millionen Euro verpflichten. Ihr Durchschnittsalter: 20,9 Jahre. Die voraussichtliche Startelf der Hamburger gegen Ingolstadt wird im Schnitt 25,6 Jahre alt sein – ohne Routinier Emir Spahic (36). Vor einem Jahr war die Startelf 26,2 Jahre alt, vor zwei Jahren 27,0. „Wir haben bei den Transfers nicht auf Kurzfristigkeit geschaut, diesen Weg mussten wir durchbrechen. Das war unser Wunsch. Jetzt müssen wir das untermauern, dafür brauchen wir kurzfristigen sportlichen Erfolg“, sagt Labbadia.

Labbadia verteidigt seine Pläne mit Juwel Halilovic

Der HSV geht nun also den Weg, den er vor zwei Jahren schon einschlagen wollte. Nach der Ausgliederung der Fußballabteilung, angestoßen durch die Reforminitiative HSVPlus, war es das Ziel der neuen HSV AG, die Mannschaft zu verjüngen. Für rund 35 Millionen Euro ging die neue Führung um Clubchef Dietmar Beiersdorfer damals einkaufen. Am Ende der Saison landete man in Karlsruhe bei Kauczinski.

Nun soll alles besser werden. Möglicherweise wird der HSV am Ende der Transferperiode erneut etwa 35 Millionen Euro ausgegeben haben. Für einen neuen Defensivspieler – favorisiert wird weiterhin Brasiliens Olympiasieger Rodrigo Caio (23) vom FC Sao Paolo – soll Beiersdorfer bereit sein, noch einmal bis zu zwölf Millionen Euro auszugeben. Summen, mit denen sich vor allem Beiersdorfer selbst unter Druck setzt. Ein erneuter Kampf gegen den Abstieg wäre nicht mehr vermittelbar. „Wo wir am Ende landen, kann ich nicht sagen. Aber wir haben hohe Ziele“, sagte Labbadia.

Helfen sollen dabei vor allem Kostic und Halilovic. Wenngleich sich der kleine Kroate trotz seines Traumeinstands samt Siegtor in Zwickau noch ein wenig gedulden muss. Auch gegen Ingolstadt wird Halilovic wohl zunächst auf der Bank sitzen. Den Fans, die den Neuzugang vom FC Barcelona als neuen Hoffnungsträger auserkoren haben, gefällt das wenig. Sie würden Halilovic zu gerne als neuen Spielmacher sehen. Labbadia aber plant mit dem 20-Jährigen weiterhin auf Rechtsaußen. „Man sollte einem Trainer auch mal ein bisschen vertrauen, dass er die Spieler da aufstellt, wo sie der Mannschaft am meisten helfen.“

Labbadia will den HSV entwickeln. Den nächsten Schritt machen. Erinnerungen an Kauczinski? „Darüber mache ich mir heute weniger Gedanken. Wir sind einfach froh, dass die Rechnung damals für uns aufgegangen ist“, sagt Labbadia auf Nachfrage. Er will jetzt nur noch über die Zukunft sprechen.