Das Restaurant Capitao Jacques an der Copacabana war gut besucht. Zier­liche Frauen und ihre kräftigen Männer saßen an blütenweiß eingedeckten Tischen und versuchten, die Fleischberge zu bezwingen, die an langen Spießen oder auf großen Platten vor ihnen aufgebaut waren. Der Brasilianer liebt Fleisch, Gemüse gibt er lieber den Tieren, die er später essen will, insofern muss schon eine Menge passieren, um ihn von seiner Mahlzeit abzuhalten, die gern in geselliger Runde entsprechender Lautstärke eingenommen wird.

Als plötzlich nach und nach an den Tischen sowohl die Gespräche als auch das Besteckklappern eingestellt wurden und sich eine Runde nach der nächsten den Fernsehgeräten zuwandte, auf denen in jeder Ecke des Lokals die olympischen Wettbewerbe gezeigt wurden, da wusste man, dass etwas Großes im Gange war. Die Leute starrten gebannt auf die Bildschirme. Ein kleiner Mann war dort zu sehen, er hielt eine silberne Medaille fest umklammert, in den Augen schimmerten Tränen. Er redete ununterbrochen, es wirkte wie eine Predigt, und auch wenn man kein Portugiesisch versteht, wurde schnell klar: Dieser Mann hat Wichtiges zu sagen.

Als Diego Hypolito, der 2005 als erster Brasilianer Weltmeister im Gerät­turnen war und in Rio mit seiner Bodenkür Silber gewonnen hatte, seinen als Interview begonnenen Monolog beendet hatte, klatschten die Menschen Beifall. Auch wenn ihr Held sie nicht hören konnte; sie mussten ihren Emotionen Raum geben. Erst Minuten später waren wieder das Geklapper des Bestecks und die wohligen Laute satt werdender Menschen zu vernehmen.

Sicher, es gab viele bewegende Momente bei diesen Spielen, die sich aufzuzählen lohnten. Aber dieser, in dem kleinen Restaurant am vielleicht berühmtesten Strand der Welt, war mein persönlicher Olympiamoment. Weil er auf so einfache und doch betörende Art bewies, wie der Sport und seine Sieger Menschen in ihren Bann ziehen können.