Cincinnati. Kielerin unterliegt im Finale von Cincinnati der Tschechin Pliskova

Die Wachablösung muss warten: Angelique Kerber hat den Sprung an die Spitze der Tennis-Weltrangliste zumindest vorerst verpasst. Im Finale von Cincinnati im Bundesstaat Ohio verlor die Kielerin gegen Karolina Pliskova (Tschechien) überraschend deutlich mit 3:6, 1:6. Serena Williams durfte daher aufatmen: Die 22-malige Grand-Slam-Turniersiegerin aus den USA bleibt in der 182. Woche in Folge auf dem Tennis-Thron.

Mit dem Titel bei dem hochkarätig besetzten Vorbereitungsturnier auf die US Open (29. August bis 11. September) hätte Kerber (28) als zweite Deutsche nach Steffi Graf im Jahr 1987 Platz eins der Weltrangliste erobert. Die Krönung der grandiosen Sommermonate blieb der Wimbledon-Finalistin aus Norddeutschland vorerst verwehrt.

Die nächste Chance dazu bekommt sie jedoch bereits in New York, wo Williams als Vorjahreshalbfinalistin deutlich mehr Punkte zu verteidigen hat als Kerber. Bis auf mickrige 190 Zähler ist Williams’ Vorsprung geschrumpft.

Trotz der Niederlage gegen die Weltranglisten-17. Pliskova, Kerbers dritter im siebten Duell, fährt die Olympiazweite als eine der Favoritinnen zum letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Williams (34) hatte nach ihrem Achtelfinal-Aus in Rio ihren Start in Cincinnati wegen Schulterproblemen abgesagt, ob sie im Big Apple im Vollbesitz ihrer Kräfte aufschlägt, ist fraglich.

Kerber steht dagegen vor einer anderen Herausforderung: Sie muss die zweite bittere Finalniederlage innerhalb von acht Tagen verdauen. Bei den Olympischen Spielen hatte sie Gold der Außenseiterin Monica Puig aus Puerto Rico überlassen müssen. Gegen die 1,86 Meter große Pliskova kam Kerber kaum ins Spiel. Ihr Trainer Torben Beltz aus Itzehoe mahnte nach dem ersten Satz zur Geduld: „Du musst weiter arbeiten, dann wird sie auch Fehler machen.“

Die unnötigen Fehler unterliefen bei böigem Wind im Nordwesten der USA aber weiterhin Kerber, die immer häufiger den schnellen Punktgewinn erzwingen wollte. Weil das schiefging, sackte Kerber immer tiefer zusammen, zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf. Ihre Miene verfinsterte sich. Ihr Kindheitstraum von der Nummer eins erfüllte sich zumindest an diesem Tag nicht. Auch mit dem zehnten Turniersieg ihrer Karriere wurde es nichts. Wie schon bei Olympia in Rio konnte Kerber im Endspiel der mit 2,8 Millionen Dollar dotierten Hartplatz-Veranstaltung ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden. Nach nur 62 Minuten war das unspektakuläre Match beendet.

So darf sich Serena Williams über die 305. Woche an der Spitze ihres Sports freuen. Vor Williams liegen in dieser Statistik nur noch ihre Landsfrau Martina Navratilova (332) und Graf (377). Die deutsche Tennis-Ikone eroberte Platz eins im August 1987, zum letzten Mal stand Graf am 30. März 1997 vor allen anderen Kontrahentinnen.

Wenn es Australian-Open-Siegerin Kerber in absehbarer Zeit schafft, erneut in Grafs Fußstapfen zu treten, würde ihr das viel bedeuten. „Es wäre das I-Tüpfelchen, wenn es mir gelingen würde, solange Serena noch aktiv ist“, hatte sie zuvor gesagt. „Das hätte dann so etwas wie einen Wow-Effekt zur Folge.“ Mit ihrem Titel in Melbourne und Olympiasilber in Rio folgte Kerber ihrem Idol Graf bereits nach. Graf selbst hatte die Spitzenposition vor 19 Jahren an die Schweizerin Martina Hingis abgeben müssen.