Rio de Janeiro. Der Europameister sichert sich Bronze durch ein 31:25 gegen Polen und bestätigt seine Position in der Weltspitze

Es waren noch 30 Sekunden zu spielen, da hielt es niemanden mehr auf der Bank. Die deutschen Handballspieler sehnten das Schlusssignal herbei, dann stürmten sie aufs Feld und legten Arm in Arm einen Tanzkreis aufs Parkett. 31:25 (17:13) gegen Polen, niemand aus diesem Team hatte je Olympische Spiele mitgemacht, es ist das jüngste des Turniers, und nun nimmt es Bronze mit nach Hause. „Ein unglaublich geiles Gefühl“, jubelte der Gummersbacher Julius Kühn, „und diese Mannschaft hat eine große Zukunft vor sich.“

Die Geschichte des unerwarteten Erfolgs fängt an einem Tiefpunkt an. Als Deutschland am 14. Juni 2014 die WM-Qualifikation verpasst hatte, ausgerechnet gegen Polen übrigens, musste Bundestrainer Martin Heuberger gehen. Der Deutsche Handball-Bund verpflichtete den damaligen Coach der Füchse Berlin, Dagur Sigurdsson als Nachfolger. Die kess formulierte Aufgabe an den Isländer: 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio um Gold spielen. Was die wenigsten erwartet hatten: Viel schneller als erwartet stellten sich Erfolge ein. Für die WM in Katar erhielten die Deutschen eine Wildcard und stießen bis ins Viertelfinale vor. In diesem Jahr folgte der Triumph bei der Europameisterschaft in Polen im Januar. Und nun Olympia-Bronze.

Es ist das beste Jahr für den deutschen Handball seit 2004, als ebenfalls der EM-Titel gewonnen wurde und in Athen sogar Olympia-Silber. „Mission erfüllt, Weltspitze bestätigt“, sagte jetzt Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbunds (DHB). Er ist in Personalunion Geschäftsführer des Bundesligisten Füchse Berlin und gab damals seinen Trainer nicht ohne Wehmut ab. Aber für den DHB hat sich der Deal jetzt schon bezahlt gemacht.

Auf dem Feld steht wieder eine richtige Mannschaft, das macht ihre Beliebtheit ebenso aus wie ihren Erfolg. Auch gegen Polen gab es kein Nachgeben, keinen Egoismus, nur höchste Konzentration. „Dieses Spiel“, sagte Sigurdsson stolz, „zeigt, welche Entwicklung unser Team genommen hat.“ Es sei die schwerste Partie des Turniers, dieser Kampf um Bronze. Die nächsten Olympischen Spiele sind vier Jahre weg, und hier entscheidet sich, ob man mit leeren Händen abreist oder einer Erinnerung. „Wie konzentriert die Jungs waren, wie sie vorher trainiert haben, ist unglaublich. Sie haben diesen Hunger.“

Das mussten auch die Polen bald erkennen, deutlich älter und erfahrener, aber auch langsamer. Wieder war die deutsche Abwehr um den starken Torwart Andreas Wolff die Basis für alles, immer wieder zermürbten Tobias Reichmann (sieben Treffer) und Uwe Gensheimer ihren Gegner mit erfolgreich abgeschlossenen Schnellangriffen. Beim 8:8 in der 19. Minute stand es zuletzt unentschieden, danach führten nur noch die Deutschen und bauten ihren Vorsprung Stück für Stück aus, bis auf 25:18 (43. Minute). Da war Polen schon verloren. Sie kamen nicht mehr näher heran als bis auf vier Tore Differenz.

Nur eine Enttäuschung musste die Mannschaft verkraften. Aus ihrer Feier im Deutschen Haus wurde nichts, das hatte am Sonntag bereits geschlossen. Aber auch diese Aufgabe wollten sie meistern. „Das eine oder andere Bier“, schloss Drux, „ist jetzt fällig.“