Rio de Janeiro. Nach dem olympischen Endspiel gegen Brasilien beendet der 65-Jährige seine Karriere als Fußballtrainer

Als Horst Hrubesch mit seiner Mannschaft in Rio de Janeiro gelandet war, schaute er sich als Erstes das Maracanã-Stadion an. Dort hatte er 1982 eines seiner 21 Länderspiele bestritten. „Es war verdammt warm und schwer zu atmen, aber auch ein tolles Erlebnis“, erzählte Hrubesch wenig später den internationalen Medienvertretern bei einer Pressekonferenz. Dass Brasilien 1:0 gewann, verschwieg er. Hrubesch überbringt zurzeit nur positive Nachrichten.

Für den 65-Jährigen war die Aussicht in das neue Maracanã, das nichts mehr mit der einst 200.000 Zuschauer fassenden Schüssel zu tun hat, auch ein Blick zurück. Denn nach dem Olympia-Finale der von ihm in Rekordzeit geformten DFB-Auswahl gegen Brasilien wird er aufhören als Trainer. Aber sich vor dem großen Spiel um die Goldmedaille an diesem Sonnabend (22.30 Uhr MESZ/ARD) mit seinem Renteneintritt zu beschäftigen, findet Hrubesch eigentlich ziemlich unwichtig. Er ist noch nicht fertig in Brasilien. Auch die letzten Stunden arbeitet er daran, seine Mannschaft einzustimmen. „Wir haben einen Traum, und wir wollen unseren Traum zu Ende gehen“, sagt er nach seiner Maracanã-Besichtigung.

Hrubesch erlebt gerade den Höhepunkt seines langen Fußballer-Lebens, größer noch als jener 22. Juni 1980, als er mit zwei Kopfbällen zum 2:1 gegen Belgien in Rom Deutschland zum Europameister machte. Nur noch 90 Minuten wird er als Trainer erleben, vielleicht 120 und ein Elfmeterschießen. „Ich gehe mit einem weinenden Auge, aber doch mehr mit zwei lachenden Augen“, sagt der aus Hamm in Westfalen stammende Mann.

Melancholisch zu werden erlaubt sich Hrubesch nicht. Dafür ist der baumlange Kerl nicht der Typ. Die Tränen des Glücks, die flossen, als seine Jungen mit dem 2:0 gegen Nigeria ins Endspiel eingezogen waren und damit schon Silber sicher hatten, fand er schon zu viel. Lieber geht er als personifizierte Zuversicht voran. „Die Mannschaft ist physisch und fußballerisch überragend“, erklärt er brasilianischen Journalisten. „Keiner von meinen Spielern überlegt, ob wir gewinnen oder nicht. Sie wollen einfach gewinnen.“

Und dann schwärmt er wieder, so wie er auch seinen 17 Spieler klarmacht, dass sie etwas Historisches leisten können, wenn sie Olympiasieger werden: „Was gibt es Besseres und Größeres, als in Maracanã um Gold zu spielen und das gegen Brasilien? Normalerweise hat uns keiner etwas zugetraut. Wir können nur noch gewinnen. Und wir haben schon etwas gewonnen.“ Ihr könnt locker aufspielen, vermittelt Hrubesch seiner Mannschaft, der Erfolgsdruck liegt bei den Gegenspielern, die ganz Brasilien mit dem Gewinn der für das Land wichtigsten Goldmedaille befriedigen müssen.

Für diese Begeisterung und seine warmherzige Zuwendung, schätzen die Spieler ihren Trainer, der das Alter ihrer Großväter hat. Der frühere Torjäger hat ein Ohr für die heutigen Themen der jungen Generation, ist ein väterlicher Freund, dessen kumpelhafter Stil jede Situation entspannt, aber auch sehr klar ist. Hrubesch schont die Spieler nicht vor Kritik, das haben schon die heutigen Weltmeister kennengelernt, die er 2009 zu U-21-Europameistern machte.

„Er weiß ja auch, dass ihn die Jungs gerne haben, auch die Neuen, die dazugekommen sind. Man kann ihm diesen Erfolg nicht hoch genug anerkennen, den er in den vergangenen Jahren hatte“, sagt Nils Petersen, der mit den Bender-Zwillingen zu den drei älteren Spielern gehört, mit denen Hrubesch die U-21-Junioren ergänzte. „Mein Bruder und ich haben ja gesagt, wir sind froh und glücklich, dass er uns noch mal dazugeholt hat. Er weiß, was er von uns bekommt. Wir wollen alles daransetzen, die Goldene zu holen“, erklärt Lars Bender. Die Spieler haben sich geschworen, dem Trainer noch eine Steigerung des Glücksgefühls zu vermitteln.

1994 brach Horst Hrubesch zusammen: Herzprobleme

Nicht immer fühlte sich Hrubesch als Trainer so angenommen. Der 10. Januar 1994 war für ihn lange ein Schreckensdatum. Der Stress im Trainerjob machte ihn fertig. „Ich hatte Angst. Nachts habe ich geschwitzt. Dazu hatte ich dieses Augenflimmern.“ Er rauchte wie ein Schlot, 60 und mehr Zigaretten am Tag, bis er zusammenbrach, der Notarzt kam und er in der Klinik mit ernsthaften Herzproblemen landete. „Im Krankenhaus schwor ich mir: Schluss mit diesem Leben.“ Fortan lebte er gesünder und kam schnell wieder auf die Beine.

Wenn er nach dem Auslaufen seines DFB-Vertrags Ende Dezember mehr Zeit hat, kann er sich wieder seinen Hobbys widmen. Zu Hause in Uelzen züchtet er mit seiner Frau Haflinger Pferde, aber vor allem zum Angeln kam er zuletzt nur selten. Schon vor 36 Jahren, als er noch wegen der unglaublichen Wucht seiner Kopfbälle als das „Ungeheuer“ im Profi-Fußball bekannt war, hat er das Buch „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“ verfasst. Die 30.000er-Auflage soll schnell vergriffen gewesen sein. Hrubesch gilt tatsächlich als ein wahrer Experte dieses Fachs. Als Trainer könnte er sich mit dem Olympiasieg ein Denkmal setzen.

Deutschland: Horn – Toljan, Ginter, Süle, Klostermann – Sven Bender – Brandt, Lars Bender, Meyer, Gnabry – Selke.