Rio de Janeiro. Deutschland scheitert im Halbfinale gegen Olympiasieger Niederlande mit 3:4 im Shoot-out – aber die Entwicklung der Mannschaft ist positiv

Die deutschen Hockeydamen standen vor der Fankurve, winkten mit ihren Schlägern und freuten sich über den warmen Applaus, auch wenn dieser im Glutofen von Deodoro ihre Schmerzen nicht lindern konnte. Dass sie Beifall verdient hatten nach einer Halbfinalleistung, die für Erstaunen gesorgt hatte, war unzweifelhaft. Das Kuriose an der Szene war, dass der Beifall von den Zuschauern kam, die in orangefarbenen Trikots auf der Tribüne schwitzten. Es waren die Niederländer, die nach dem 5:4 (1:1)-Sieg ihres Teams nach Penaltyschießen, das dem Weltmeister am Freitag im Finale die Chance gibt, das dritte Olympiagold in Serie zu gewinnen, die Courage der Deutschen anzuerkennen wussten.

Wer vom Gegner gefeiert wird, der muss eigentlich alles richtig gemacht haben. Umso trauriger war die Schlusspointe dieses Semifinales, in dem sich eine aufopferungsvoll kämpfende deutsche Auswahl, von Bundestrainer Jamilon Mülders nach dem 0:2 im Gruppenspiel perfekt auf das Pressing der Niederlande eingestellt, nach dem Führungstor durch die Düsseldorferin Lisa Schütze (11.) in die Partie hineinbiss und nur den Ausgleich durch Strafeckenspezialistin Maartje Paumen (16.) hinnehmen musste.

„Als es ins Penaltyschießen ging, hatte ich ein gutes Gefühl“, sagte Torhüterin Kristina Reynolds, und das verwunderte nicht. Schließlich gilt die 32-Jährige vom Hamburger Polo Club, die schon in der regulären Spielzeit viele Geschosse der niederländischen Offensive wegwedelte, als seien es lästige Insekten, als weltbeste „Shoot-out-Keeperin“. Diesem Ruf wurde sie zwar mit drei gehaltenen Schüssen auch gerecht, doch weil die für RW Köln spielende Hamburgerin Franzisca Hauke beim Stand von 2:2 den ersten Matchball beim fünften deutschen Schuss nicht nutzen konnte, Marie Mävers vom Uhlenhorster HC den siebten Versuch vergab und Hollands Ellen Hoog anschließend die Nerven behielt, waren es die Goldfavoriten, die den Finaleinzug feierten.

Bundestrainer Mülders wollte sich, nachdem er sein Team kurz getröstet hatte, mit Grübeleien oder der Suche nach Gründen für die Niederlage nicht lange aufhalten, und das war auch richtig so. „Es wäre verschwendete Energie, zu lange dem verpassten Gold oder Silber nachzutrauern“, sagte er, „wir haben die Chance, hier Bronze mitzunehmen, das ist jetzt unsere Aufgabe.“

Gegner im Spiel um Platz drei ist am morgigen Freitag (17 Uhr MESZ/ZDF) Neuseeland, das sich im zweiten Halbfinale gegen Großbritannien durchsetzen konnte.

Es waren vor allem die Führungsspielerinnen, die ihre Fassung recht schnell zurückgewonnen hatten und sich der Anweisung des Trainers annahmen. „Wenn wir so spielen wie heute, dann schlagen wir jeden anderen Gegner. Das müssen wir uns schnell klarmachen und am Freitag umsetzen“, sagte die Hamburger Kapitänin Janne Müller-Wieland vom UHC. Ihre Clubkollegin Lisa Altenburg ergänzte: „Auch wenn es sehr weh tut, ein olympisches Halbfinale auf diese Art zu verlieren, bin ich unfassbar stolz auf die Teamleistung. Wenn man bedenkt, wo wir vor vier Jahren standen, dann ist es Wahnsinn, was wir hier geschafft haben.“

Und das stimmt: Nach Platz sieben in London 2012 und Rang acht bei der WM 2014 hat Mülders einen Mentalitätsumschwung geschafft, der sich nicht erst gegen die Niederlande zeigte. Die Mannschaft glaubt an ihre Qualitäten, sie ist athletisch in der Lage, mit der Weltspitze mitzuhalten, und sie verfolgt die vom Trainerteam vorgegebenen Matchpläne exakt. „Wenn die Mädels gut sein müssen, dann sind sie gut. Ich empfinde ehrliche Freude daran, sie in ihrer Entwicklung zu begleiten“, sagte Mülders.

Fehlt nur noch, dass sich sein Team für sein Fortkommen mit einer Medaille belohnt. „Ich war 2008 in Peking schon Vierte, das mache ich nicht noch einmal mit“, sagte Janne Müller-Wieland. Und Lisa Altenburg schickt schon eine Warnung für den Freitagabend voraus. „Da kommen wir ins Deutsche Haus, mit Bronze um den Hals“, sagte sie. (bj)