Rio de Janeiro. Handballer nach 34:22 gegen Vizeweltmeister Katar am Freitag im Halbfinale gegen Olympiasieger Frankreich

Diesmal nicht. Bei der Handball-Weltmeisterschaft vor eineinhalb Jahren in Katar war Deutschland noch mit 24:26 im Viertelfinale an den Gastgebern gescheitert, die später WM-Zweite wurden. Es war das erste große Turnier unter dem neuen Bundestrainer Dagur Sigurdsson. Doch inzwischen ist viel passiert. Der Isländer ist mit seinen „Bad Boys“ Anfang des Jahres Europameister geworden, die Mannschaft hat sich enorm weiterentwickelt. Wie sehr, das bekam das Team Katars nun im Viertelfinale des olympischen Turniers in Rio zu spüren. Mit 34:22 (16:12) gewann Deutschland und trifft im Halbfinale am Freitag (20.30 Uhr MESZ) auf Weltmeister und Olympiasieger Frankreich, der Gastgeber Brasilien mit 34:27 aus dem Turnier warf. „Man muss kein Professor sein, um zu erkennen, dass wir als Mannschaft besser waren“, sagte Sigurdsson, „unsere Abwehr war überragend, die beiden Torhüter super.“

Der Bundestrainer musste im sechsten Spiel des Turniers noch einmal sein Personal verändern. Der Kieler Christian Dissinger hatte sich in der Partie gegen Ägypten eine schwere Prellung im Oberschenkel zugezogen, wurde noch in Brasilien operiert und durch den Neu-Berliner Steffen Fäth ersetzt. „Bitter enttäuscht. Bad Boys, holt was für mich mit“, twitterte der 24-Jährige aus dem Krankenhaus. Seine Teamkollegen zeigten von Beginn an, dass sie ihm diesen Wunsch erfüllen wollten. Sehr konzentriert arbeitete die Abwehr, die sich anders als in den vorangegangenen Spielen kaum Fouls leistete und so bis zur Halbzeit nur eine einzige Zwei-Minuten-Strafe kassierte. Das Gleiche galt allerdings für die Katarer. Von dem „kleinen Krieg“, den Sigurdsson befürchtet hatte, war nichts zu sehen.

Stattdessen in Andreas Wolff und dem schon 39-jährigen Daniel Saric, einem gebürtigen Bosnier, zwei Torhüter, die viele Bälle abwehrten. Die bisher so hohe Effizienz des deutschen Angriffs litt anfangs darunter. Doch nicht lange – immer besser kamen die Europameister in die Partie. Weil sie variabel agierten und häufig mit Schnellangriffen über Tobias Reichmann oder Uwe Gensheimer zum Erfolg kamen. Leicht auszurechnen war dagegen das Spiel der Mannschaft aus dem Wüstenstaat. Immer wieder musste Rückraumschütze Rafael Capote es richten, allein an seinen sieben, zum Teil sehr sehenswerten Toren lag es, dass der Rückstand seines Teams zur Pause nicht schon deutlich höher war als vier Treffer. „Rafael Capote und Ex-HSV-Profi Zarko Markovic schließen bei denen 70 Prozent der Angriffe ab“, sagte Wolff, „das wollten wir kontrollieren. Ich würde sagen, unser Matchplan ist aufgegangen.“

Capote ist in Havanna geboren. Der bisherige Erfolg der Katari beruht darauf, dass sie vor allem europäische Spieler, die mindestens drei Jahre nicht für ihr Heimatland antraten, mit viel Geld von einem Nationalitätenwechsel überzeugen. Die Regeln des Weltverbandes lassen das zu. Im Kader stehen deshalb nur zwei Spieler, die aus dem Emirat stammen, und sie haben keine große Bedeutung für ihr Team. Dazu ist Valero Rivero einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, der Spanien zum WM-Titel geführt hat und den FC Barcelona zu etlichen Champions-League-Triumphen.

Doch das alles und das ganze Geld halfen in diesem Spiel herzlich wenig. „Ich glaube“, sagte Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, süffisant, „heute konnte man sehen, wer für ein Land spielt und wer für sein Land spielt. Sie sind an unserem Kampfgeist zerbrochen.“ Nach der Pause setzten sich die immer stabiler verteidigenden und immer besser abschließenden Deutschen mehr und mehr ab. Auch bei dem guten Capote ließen die Kräfte nach, er konnte nur zwei Tore nachlegen, Markovic (4) blieb unter seinem Schnitt. Vor allem aber: Die Katarer gaben bald auf, als ihr Rückstand weiter wuchs. Wirklichen Spaß habe er nicht gehabt, sagte der Bundestrainer: „Wir haben taktisch und aufgrund unserer Einstellung gewonnen“, sagte er, „und die haben nach vierzig Minuten aufgehört. So etwas kann ich nicht genießen.“

Er nutzte jetzt schon die Gelegenheit, allen Spielern Einsatzzeit zu geben. Der Vorsprung betrug mittlerweile bis zu zwölf Treffer. Die Schnellangriffe der Deutschen brachten leichte Tore. „Jeder Pass kam an, jeder Wurf war drin“, freute sich Fabian Wiede, der nicht nur wegen seiner fünf Tore, sondern noch mehr durch seine vielen intelligenten Anspiele ein Sonderlob vom Trainer bekam: „Fabi hat super gespielt.“ Aber eben nicht nur er, auch Uwe Gensheimer und Tobias Reichmann trafen jeweils fünfmal, insgesamt zehn Deutsche trugen sich in die Torschützenliste ein. „Das gibt natürlich sehr viel Selbstvertrauen“, sagte Wiede, „ich freue mich jetzt sehr auf Frankreich“. Spielmacher Kai Häfner fügte hinzu: „Die haben uns auch noch nicht geschlagen.“