Rio De Janeiro. Moritz Fürste unterliegt mit den Hockeyherren im Halbfinale den Argentiniern mit 2:5. Donnerstag Spiel um Bronze gegen die Niederlande

Valentin Altenburg hatte noch etwas zu erledigen. Flotten Schrittes eilte der Bundestrainer der Hockeyherren an das eine Ende des blauen Kunstrasenplatzes. Dort, im Tornetz, kauerte sein Kapitän. Moritz Fürste starrte ins Leere, er nahm zwar wahr, dass Altenburg mit ihm redete, konnte später aber nicht sagen, worüber. „Ich habe da an gar nichts gedacht“, sagte der 31 Jahre alte Leitwolf des Teams vom Uhlenhorster HC aus Hamburg, dessen Traum, die glanzvolle internationale Karriere mit dem dritten Olympiagold zu beenden, gerade in Trümmer geschossen worden war.

Mit 2:5 hatten die deutschen Krummstockhelden ihr Halbfinale gegen Argentinien verloren und spielen jetzt am Donnerstag gegen die Niederlande (1:3 gegen Belgien) um Bronze. Auch wenn das Ergebnis den Spielverlauf nicht adäquat abzubilden vermochte, mussten sie sich eingestehen, dass sie sich die dritte Finalteilnahme bei einem olympischen Turnier in Serie selbst verbaut hatten. Die deutsche Maschine, als Muster an Gründlichkeit weltweit geachtet und seit dem Entfesslungsakt im Viertelfinale, als man ein 0:2 gegen Neuseeland innerhalb der letzten fünf Spielminuten noch in einen 3:2-Sieg verwandelt hatte, als erneut unschlagbar gehandelt, war ins Stocken geraten. Sie sind gescheitert – ausgerechnet an mangelhafter Effizienz und technischen Unzulänglichkeiten.

0:3 stand es nach einer Halbzeit, in der Altenburgs Auswahl vieles richtig gemacht, aber vergessen hatte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: das Verwerten von Torchancen und das Verhindern von Strafecken. Dreimal ließ sich die Defensive überrumpeln, dreimal trat der weltbeste Eckenschütze Gonzalo Peillat an, dreimal musste UHC-Nationalkeeper Nico Jacobi den Ball aus dem Netz fischen. Es waren die Turniertore acht bis zehn des 23 Jahre alten Peillat, der die Attraktivität der Bundesliga deutlich erhöhen wird. Er wechselt nach Olympia vom HGC Wassenaar Den Haag zum Mannheimer HC. Dass Jacobi eine Teilschuld auf sich nahm („Mindestens eine Ecke hätte ich halten müssen“), ehrt ihn. Helfen tat es nichts, zumal auch seine Vorderleute nicht fehlerfrei agierten. „Wir haben es nicht geschafft, unsere Leistungsgrenze zu erreichen“, sagte Fürste, „da muss sich jeder an die eigene Nase fassen.“ Und Mittelfeldmotor Tobias Hauke vom Harvestehuder THC sagte: „Wir haben es Argentinien zu einfach gemacht, weil wir die nötigen Zweikämpfe nicht gewonnen haben.“

Spätestens als Joaquin Menini (36.) und der ehemalige HTHC-Akteur Lucas Vila (47.) zwei Konter zum 5:0 abschlossen, war der Widerstand der deutschen Mannschaft gebrochen. Die Anschlusstore durch einen Siebenmeter von Fürste (51.) und den Kölner Christopher Rühr (57.) sorgten lediglich dafür, dass die Pleite erträglich ausfiel, wobei niemand sich über die Höhe ärgerte, sondern vielmehr darüber, dass es zum wiederholten Mal Angstgegner Argentinien war, an dem man scheiterte. Schon bei der WM 2014 in den Niederlanden hatte eine 0:1-Niederlage gegen die Südamerikaner das Aus in der Gruppenphase eingeleitet, in Rio hatte Deutschland in der Vorrunde erst durch ein Last-Minute-Tor ein 4:4-Remis erreicht.

Die Zukunft des Trainers entscheidet sich im Herbst

„Die haben genau das gemacht, was wir erwartet hatten, wir haben es nicht geschafft, das umzusetzen, was wir uns vorgenommen hatten“, schimpfte Hauke. Auf der Suche nach Gründen wollte niemand die nur 40 Stunden Pause nach dem Kraftakt gegen Neuseeland anführen. „Wenn wir gewonnen hätten, würden wir jetzt sagen, dass uns die positiven Emotionen beflügelt haben“, sagte Fürste, „deshalb ist das müßig.“

Bundestrainer Altenburg, über dessen Zukunft der Deutsche Hockey-Bund (DHB) im Herbst entscheidet, sagte: „Wir hatten leider zu spät alle Spieler im Spiel. Auch wenn jede Statistik außer die der erzielten Tore für uns spricht, hat Argentinien die spielentscheidenden Dinge besser gemacht.“ Der Berliner Abwehrchef Martin Häner fand angesichts der drei Last-Minute-Tore in vorangegangenen Partien eine weitere Erklärung: „Wir hatten unser Glück vielleicht schon aufgebraucht. Es sollte heute einfach nicht sein.“

Bei aller Enttäuschung sollten zwei Dinge nicht vergessen werden. Zum einen hat sich Argentinien, das erstmals überhaupt ein olympisches Halbfinale erreichte, unter seinem Coach Carlos Retegui zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten entwickelt, der sich mittelfristig in der Weltspitze etablieren dürfte. Das Team steht defensiv sicher, hält sich konsequent an sein System und hat mit Peillat eine Waffe, die jedem Gegner Schaden zufügt, der es nicht schafft, Strafecken zu vermeiden.

Zum anderen haben die deutschen Herren immer noch die Chance, eine Medaille zu gewinnen, auch wenn diese nicht mehr golden scheinen wird. „Wir haben die Chance, hier noch etwas mitzunehmen. Aber uns wird nichts geschenkt, wir müssen uns selbst wieder aufrichten“, sagte Tobias Hauke. „Natürlich wird es schwer, die Jungs wieder aufzubauen, weil heute Träume zerplatzt sind“, sagte Bundestrainer Altenburg, „aber wenn wir morgen früh aufwachen, werden wir den Fokus auf das letzte Spiel richten. Das Turnier ist noch nicht vorbei.“