Salvador. Nach dem 4:0 gegen Portugal darf der frühere HSV-Profi auf Deutschlands erstes Olympiafinale hoffen

Als die deutschen Fußballer am Sonnabend zum ernsthaften Gold-Kandidaten aufgestiegen waren, hüpfte Horst Hrubesch an der Seiten­linie im Mané-Garrincha-Stadion von Brasilia wie ein Flummi auf und ab. „Hoffentlich hat am Fernseher keiner gesehen, wie ich da rumgesprungen bin. Ich war gut drauf“, sagte der DFB-Trainer nach der 4:0-Gala gegen Portugal grinsend, Dann machte er für das restliche Olympia-Turnier eine klare Ansage: „Alles“ sei nun möglich.

Kein Wunder, dass nach der besten Turnierleistung bereits die magischen Worte „Maracanã“ und „Endspiel“ die Runde machten. Das Ziel sei nun das „Finale – am besten gegen Brasilien im Maracanã“, sagte Niklas Süle, er wolle „das Höchste, was man erreichen kann“. Auch der vom HSV umworbene Matthias Ginter fand die Vorstellung von einem Traum-Endspiel gegen den Gastgeber „nicht so schlecht“.

Zunächst aber muss am Mittwoch in São Paulo (21 Uhr MESZ) Nigeria, Olympiasieger 1996 und Finalist 2008, aus dem Weg geräumt werden. In der Corinthians-Arena kann Hrubesch in seinem letzten großen Turnier Geschichte schreiben: Noch nie erreichte ein DFB-Team ein olympisches Endspiel. Bei der letzten Teilnahme deutscher Fußballer 1988 in Seoul gewannen Jürgen Klinsmann und Co. Bronze.

28 Jahre später ist Bronze auch für Hrubesch zum Minimalziel geworden. „Ich habe den Spielern gesagt: Tut mir einen Gefallen, lasst uns hier irgendetwas mitnehmen. Wir haben die Qualität“, sagte der 65-Jährige. Den Beweis lieferte seine bunt zusammengewürfelte Mannschaft gegen Portugal: Die Revanche für das bittere 0:5 im Halbfinale der U21-EM 2015 gelang eindrucksvoll.

Das Ergebnis hätte sogar noch höher ausfallen können. Am Ende be­ließen es „Olympiaexperte“ Serge Gnabry (45.+1), Weltmeister Matthias Ginter (57.), Davie Selke (75.) und Philipp Max (87.) bei Temperaturen um die 30 Grad bei vier Toren. Der in bislang jedem Spiel erfolgreiche Gnabry rückte in der ewigen deutschen Olympia-Torjägerliste mit sechs Toren hinter Gottfried Fuchs (zehn Tore beim 16:0 gegen Russland 1912) auf Rang zwei vor.

Er „denke schon“, dass er derzeit die besten Wochen seiner Karriere erlebe, sagte der Führende der Torjägerliste und versprach: „Wir werden jetzt noch mal alles geben und angreifen.“ Angeblich hat Hertha BSC bereits seine Fühler nach dem Arsenal-Profi ausgestreckt. Der lange verletzte Gnabry will indes zunächst seine bislang so erfolgreiche Olympia-Mission beenden.

Längst abgehakt ist der Stotterstart gegen Mexiko (2:2) und vor allem Südkorea (3:3), als erst in der Nachspielzeit der Ausgleich gelang. „Wir waren eigentlich schon zu Hause. Aber ich habe den Jungs gesagt: So gewinnt man Medaillen“, sagte Hrubesch und erinnerte an Portugals EM-Triumph in Frankreich. Cristiano Ronaldo und Co. hätten bekanntlich kein einziges Vorrundenspiel gewonnen, so Hrubesch. Und das Ende sei ja bekannt.

Längst kein Geheimnis mehr ist auch, wer der Vater, oder wie einige scherzhaft sagen: Der Opa des Erfolgs in Brasilien ist: Hrubesch selbst natürlich. Mit der U-19-Nationalmannschaft wurde der frühere Hamburger 2008 Europameister, die U 21 führte der Traineroldie ein Jahr später zum Titel, und nun ist es also Deutschlands zusammengewürfelte U 23, mit der er in Brasilien das erste Gold der deutschen Olympiageschichte gewinnen will.

Sein Erfolgsgeheimnis verriet er vor Olympia ausgerechnet dem „Playboy“: „Es macht keinen Sinn, etwas zu kopieren, das sage ich meinen Spielern auch“, sagte der langjährige DFB-Nachwuchscoach dem Männermagazin. „Die sind alle tätowiert, haben alle Ohrringe. Ich sag immer: ,Ihr macht alles nur nach. Lasst euch was anderes einfallen! Sagt doch mal eure Meinung! Ihr habt doch eine, das weiß ich.‘“

Einen Hehl aus seiner eigenen Meinung hat der 65-Jährige nie gemacht. Vielleicht ist das auch der Hauptgrund, warum ihn sein HSV trotz einer Vielzahl von Gerüchten nie als Trainer oder Nachwuchschef verpflichtet hat. Hrubeschs Name war oft im Gespräch, mit einem Engagement hat es aber nie geklappt. Dabei hat der Fußballlehrer, der trotz seines fortgeschrittenen Alters so gut wie niemand sonst mit der neuen Fußballer-Generation umzugehen weiß, mit dem HSV fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: drei deutsche Meisterschaften und den Europapokal der Landesmeister 1983 in Athen. Hrubesch wurde Bundesliga-Torschützenkönig 1982 und Europameister 1980 mit der Nationalelf. Beim 2:1 gegen Belgien erzielte er beide Tore.

„Bei den wirklich Guten gab’s immer Konfliktpotenzial, aber daraus erwächst dann eine Energie“, sagte Hrubesch kurz vor Olympia. Zwei Wochen später ist die Energie, die von Hrubesch ausgeht, bis nach Deutschland zu spüren.Und das Beste: Es ist noch nicht vorbei. Alles ist möglich.

Die DFB-Frauen treffen nach ihrem 1:0-Sieg gegen China nun am Dienstag (21 Uhr MESZ) im Halbfinale erneut auf Vorrundengegner Kanada, der mit 1:0 gegen Frankreich gewann.