Rio de Janeiro. Nach dem Sieg im Kleinkaliber-Liegendwettkampf sucht der 28-Jährige einen Job als Maschinenbau-Ingenieur

Mit dem Olympia-Gold um den Hals dachte Gewehrschütze Henri Junghänel schon an den Abschied. „Ich muss mir überlegen, ob das nicht vielleicht sogar der Schlusspunkt ist“, sagte der 28 Jahre alte Debütant nach der Siegerehrung am Freitag in Rio. „Ich mache jetzt erst einmal ein Jahr Pause und gehe auf Jobsuche. Mit Sport kann man kein Geld verdienen. Da ist das Ingenieurwesen durchaus lukrativer.“

Stolz präsentierte der Hesse zuvor seine Medaille, sein Vater Reinhart und seine Mutter Regina hatten Tränen in den Augen. „Er ist so zielstrebig. Die Ziele, die er sich setzt, schafft er auch“, sagte die stolze Mutter. „Er hat sein Maschinenbaustudium mit einer Eins abgeschlossen. Was er anpackt, wird zu Gold“, meinte der Vater mit einem Lächeln. „Eigentlich fährt er ja gar nicht so oft zu meinen Wettkämpfen, weil er noch viel aufgeregter ist, als ich es bin“, verriet Junghänel junior über seinen Vater und stellte fest: „Ich bin extrem glücklich, auch wenn ich nicht so ein extrovertiert Typ bin, der das so nach außen bringt.“

Souverän wurde Junghänel mit dem Kleinkalibergewehr Olympiasieger im Liegendwettbewerb. Er holte sich auf der Schießanlage in Deodoro mit dem olympischem Rekord von 209,5 Punkten den ersehnten Sieg vor dem Südkoreaner Kim Jonghyun und dem Russen Kirill Grigorjan. „Ich gönne es dem Henri so, er ist ein super Liegendschütze. Irgendwie haben wir im Team jetzt eine Eigendynamik, es läuft so super“, sagte Barbara Engleder. Die Bayerin, die sicher ihre internationale Karriere beendet, hatte mit ihrem Olympiasieg mit dem Kleinkalibergewehr bereits am Vortag für einen Triumph gesorgt. „Da war der Druck weg“, sagte Junghänel.

Im Finale ging es gut los für ihn. Mit einem guten Zehnerschnitt begann er, lag zunächst auf Rang drei. Nach der dritten Dreier-Serie übernahm der Hesse sogar die Spitze. Mit traumwandlerischer Sicherheit baute er seinen Vorsprung aus. 2012-Olympiasieger Nicolo Campriani aus Italien scheiterte früh, Junghänel traf weiter sicher.

Nach den Schüssen 13 und 14 war die Führung erst einmal weg, doch Junghänel behielt die Nerven. Die deutschen Fans waren da schon in Feierstimmung. Die letzte Gewehrmedaille bei den deutschen Männern hatte 2004 Christian Lusch ebenfalls im Liegendschießen gewonnen.

Dabei war Junghänel als Vorkampf-Achter gerade so ins Finale gerutscht. Am Ende reichten die 624,8 Ringe für den letzten freien Platz für das Medaillen-Duell, das in zwei Durchgängen als Ausscheidungswettkampf geschossen wurde. Beim vorolympischen Weltcup auf dieser Anlage hatte er allerdings noch den Weltcup gewonnen. „Das hat mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben“, sagte er nach seinem Triumph. Kurios: Genau an dem Tag seines Sieges in diesem Weltcup-Wettbewerb wurde in Griechenland das olympische Feuer für Rio entzündet.

Eine richtige Leistungsexplosion in seiner Karriere hatte es für Junghänel erst gegeben, als der Hesse in die USA ging. Er studierte in Kentucky Maschinenbau, bekam ein Stipendium dank seines Könnens, was er im Collegeteam regelmäßig bewies. „Der Schießstand lag auf dem Collegegelände, man konnte jederzeit trainieren“, betonte der „Weltschütze von 2013“. Nach seinem Bachelorabschluss kehrte er nach Deutschland zurück, um in Darmstadt und Berlin seinen Master zu machen.

Enttäuschend war am Freitag hingegen der Auftritt von Teamkollege Daniel Brodmeier aus Niederlauterbach, der das Finale als 37. deutlich verpasste. Dennoch hat der Deutsche Schützenbund nach der Goldmedaille von Barbara Engleder sowie den silbernen Medaillen von Monika Karsch und Bogenschützin Lisa Unruh sein Olympia-Ziel schon jetzt erreicht.