Rio de Janeiro.

Welchen Leistungsnachweis er bis 2016 erbringen wolle, war Michael Timm gefragt worden, als er im Spätsommer 2012 zu Beginn des Olympiazyklus vom insolventen Hamburger Profiboxstall Universum an den Olympiastützpunkt in seiner Heimat Schwerin wechselte. „Artem Harutyunyan und Araik Marutjan in Rio zu Medaillen führen, so wurde es in die Zielvereinbarung aufgenommen“, sagt der 53-Jährige. Daran geglaubt, seine beiden aussichtsreichsten Kaderathleten tatsächlich nach Brasilien begleiten zu können, habe er zwar schon damals. „Aber dass wir es bei der Leistungsdichte im olympischen Boxen tatsächlich geschafft haben, ist absoluter Wahnsinn.“

Im Herbst seiner Laufbahn darf sich der Cheftrainer unverhofft den Traum von der Olympiateilnahme erfüllen. 1984 war Timm als Halbmittelgewichtler qualifiziert, um für die DDR an den Spielen in Los Angeles teilzunehmen. „Doch dann hat Honecker entschieden, dass wir nicht nach Amerika fahren“, erinnert er sich süffisant an den Boykott eines Großteils der Ostblockstaaten.

Umso glücklicher ist Timm nun, in Rio sein zu dürfen. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich das noch erleben würde. Es ist unbeschreiblich und stellt alles in den Schatten, was ich bislang im Sport mitgemacht habe“, sagt er. Als Profitrainer bei Universum hat er zwischen 1997 und 2012 mit vielen Stars gearbeitet, er war mit Felix Sturm 2004 zum WM-Kampf gegen US-Legende Oscar de la Hoya in Las Vegas. „Aber Olympia, das ist das Größte, was ein Sportler erreichen kann“, sagt er.

Nachdem Marutjan im Weltergewicht (bis 69 kg) dem Venezolaner Ga­briel Maestre umstritten mit 1:2 nach Punkten unterlegen war, trifft der Hamburger Harutyunyan (25), als Weltmeister im Halbweltergewicht (bis 64 kg) in der Profiserie APB des olympischen Weltverbands Aiba aussichtsreichster Medaillenkandidat, zum Auftakt an diesem Sonntag (23.45 Uhr MESZ) auf den Kanadier Arthur Biyarslanov.

Harutyunyan, der sich vom APB-Format mit Kämpfen über zwölfmal drei Minuten auf das olympische Maß mit dreimal drei Minuten umstellen musste, sei in bester Verfassung. „Für ihn war es, als müsse sich ein Langstreckenläufer zum Sprinter entwickeln. Aber da er das alte Format aus früheren Amateurzeiten kannte, hat er es sehr schnell geschafft, sich darauf einzustellen“, lobt der Coach, der Artems Bruder Robert, der als Leichtgewichtler das Rio-Ticket knapp verpasst hatte, und den Hamburger Jugend-Olympiasieger von 2014 im Superschwergewicht, Peter Kadiru, als Trainingspartner verpflichtet hat.