Rio de Janeiro. Am Wochenende beginnt die große Show des Usain Bolt. Er soll der Krise der Leichtathletik davonlaufen

Ausschluss der russischen Mannschaft, der frühere Präsident des Welt-Leichtathletik-Verbandes, Lamine Diack, als korrupt enttarnt, Dopingskandal in Kenia: Die Leichtathletik schreibt seit Monaten nur negative Schlagzeilen. Jetzt soll die Lichtgestalt Usain Bolt die Sportart mit seinen Auftritten im Olympiastadion aus dem Schatten führen und wenigstens einen Schimmer des alten Glanzes zurückbringen. Der Jamaikaner will zum dritten Mal in Folge das Triple über 100, 200 Meter und in der Sprintstaffel schaffen. Mit dem Vorlauf über 100 Meter beginnt an diesem Sonnabend (12 Uhr Ortszeit/17 Uhr MESZ) die große Bolt-Show. Der Endlauf geht nach deutscher Zeit um 3.25 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Montag über die Bühne.

Doch dem Superstar ist vorerst langweilig, wie er wissen ließ. Er schwänzte zwar die Eröffnungsfeier, aber damit er diese auf dem Sofa sehen konnte, kaufte er sich erst einmal einen Fernseher, der in seinem Zimmer im olympischen Dorf fehlte. Und dann musste er für sein zweistelliges Millionen-Jahreshonorar ein Stündchen für seinen Sponsor Werbung machen. Dieser hatte das Cidade das Artes, Südamerikas größten Theatersaal, für das Event gemietet. 14 brasilianische leicht bekleidete Sambatänzerinnen zeigten auf der Bühne, was sie können. Ob er es vorher geübt hat, wissen wir nicht, aber Bolt stieg auf das Podest und bewies, dass er mit seinen Beinen nicht nur schnell laufen. „Ich bin ein Sprinter, aber auch ein Entertainer“, sagte er. „Ich versuche den Unterschied zu machen – deshalb lieben mich die Leute.“

Bolt, der von den Medien weltweit als Usain Gold, Blitz-Bolt, Thunderbolt oder schlicht der König der Könige gefeiert wird, ist unverwechselbar. Kein anderer Sprinter läuft so locker wie er. Während seine bulligen Rivalen wie der US-Amerikaner Justin Gatlin verkrampft ihre muskulösen Schultern in Richtung Ohren schieben und wie wilde Stiere durch die Casco Viejo in Pamplona stampfen, ist Bolt so entspannt, dass in der Zeitlupe zu sehen ist, wie seine Wangenmuskeln im Takt seiner eleganten Schritte mitschwingen. Bolt ist eben ein Phänomen, weil seine Läufe über die Bahn so schwerelos aussehen.

„Bolt vereint Schnelligkeit mit Entertainment. Er schafft Rekorde und Superlative und stillt die Sehnsucht nach darüber hinausgehender Unterhaltung“, sagte Frank Busemann, der Silbermedaillengewinner von 1996 im Zehnkampf. „Er bringt besondere Hebel mit, die aber auch bewegt werden wollen, er hat riesiges Talent und eine mentale Stärke der Lockerheit.“

Aber natürlich rennt auch bei Bolt der Zweifel mit. Der 100-Meter-Sprint ist das schmutzigste Rennen der Leichtathletik. Einer nach dem anderen sind die muskelbepackten Sprinter in der Vergangenheit positiv getestet, für eine Zeit lang gesperrt oder sogar lebenslang von der Tartanbahn verbannt worden. Besonders auffällig geworden ist der US-Amerikaner Justin Gatlin. Der Olympiasieger von 2004 in Athen ist bereits zweimal des Dopings überführt worden. Sein Duell mit Bolt war bei der WM 2015 das Gesprächsthema Nummer eins. Bolt blieb cool und gewann. Auch in diesem Jahr fährt Gatlin als Weltjahresbester nach Rio. Nur einer der ersten acht der ewigen Bestenliste hat (bisher) eine weiße Weste: Usain Bolt. Dutzende von Dopingtests hat er abgegeben, alle waren negativ.

Aber kann ausgerechnet die klare Nummer eins, die mit 9,58 Sekunden den Weltrekord hält, als Einziger sauber sein? Juristisch ist Bolt natürlich unschuldig. Bis jetzt gibt es keinerlei Anzeichen, dass er betrogen hat. Aber je schneller der sechsmalige Olympiasieger aus Jamaika auf der Bahn unterwegs ist, desto größer werden die Zweifel.

Auch in Rio wird es so sein. Zumal Bolt von Weltrekorden spricht. „Ich will wieder die Grenzen verschieben“, sagte der 29-Jährige, der ankündigte, bei den nächsten Olympischen Spielen 2020 in Tokio nicht mehr starten zu wollen. „Ich traue mir in diesem Jahr einen Weltrekord über 200 Meter zu. Mein Körper sagt jedenfalls: Ja, das geht.“ Bolt hatte 2009 bei der WM in Berlin die Bestmarken über 100 Meter auf 9,58 Sekunden und über 200 Meter auf 19,19 Sekunden geschraubt. „Die 100 Meter verlangen nach absoluter Perfektion. Den Rekord werde ich hier wohl nicht verbessern“, erklärte Bolt. „Die 200 Meter sind gnädiger. Da kann man unterwegs korrigieren, was man vorher möglicherweise falsch gemacht hat.“ Die Bolt-Show kann beginnen.