Brasilia. Die deutschen Fußballer wollen im olympischen Viertelfinale in Brasilia gegen Portugal Revanche für die 0:5-Niederlage bei der U-21-EM

Eigentlich wollte Deutschlands junge Fußballgeneration einen anderen Weg zum erhofften Olympiasieg nehmen. Doch das Team von DFB-Trainer Horst Hrubesch erhielt für das Viertelfinale am Sonnabend nicht nur die Chance auf eine Revanche gegen Portugal (18 Uhr MESZ), sondern auch den einzigartigen Blick auf das Unesco-Weltkulturerbe Brasilia.

„Brasilia ist eine Reise wert, das kann ich versprechen“, sagte Hrubesch, als nach dem 10:0 gegen Fidschi der zweite Rang in der Gruppe C feststand. Der 65-Jährige hatte auf seiner Besichtigungstour kurz vor der Auslosung der Gruppen auch Station in der brasilianischen Hauptstadt gemacht, deren Zen­trum bei Besuchern aus aller Welt eine Mischung aus Faszination und Unbehagen auslöst.

Der Kern ist die Beamtenstadt, die mit ihren monumentalen Betonbauten an den Charakter der Metropolen in kommunistischen Staaten erinnert. Die berühmten Architekten Lúcio Costa und Oscar Niemeyer entwarfen den „Plano Piloto“ (Masterplan) für die Hauptstadt, die auf Geheiß des damaligen Präsidenten Juscelino Kubitschek in 1000 Tagen erbaut und am 21. April 1960 offiziell eingeweiht wurde. Sie ist das Zuhause von rund 300.000 Menschen aus der Ober- und Mittelschicht und eingebettet in den „Distrito Federal“, in dem weitere 2,3 Millionen Menschen leben.

Inmitten der Sehenswürdigkeiten wie dem 224 Meter hohen „Torre de TV“ (Fernsehturm) oder Niemeyers Meisterwerk „Catedral Metropolitana“ erhebt sich die wuchtige Kulisse des 71.000 Zuschauer fassenden und zur WM 2014 erbauten Mané-Garrincha-Stadions, in dem es am Sonnabend um alles oder nichts geht. Am Spieltag auf der Fahrt vom Mannschaftshotel Royal Tulip am Lago Paranoa zur Arena werden die Spieler möglicherweise ein paar Eindrücke mitnehmen.

Ob die „Stadt des dritten Jahrtausends“ eine Inspiration sein kann, um den Sieger der Gruppe D auszuschalten, wird sich zeigen. Fitness, Selbstvertrauen und Motivation scheinen bei den Profis aber mit jedem Spiel gewachsen zu sein. „Die K.-o.-Spiele sind die Spiele, auf die man sich am meisten freut, weil es da um viel geht“, sagte der Leipziger Verteidiger Lukas Klostermann. Serge Gnabry, der wie Nils Petersen bislang fünf Tore erzielte, sieht Deutschland schlichtweg als „Favorit“.

Und das auch ohne Kapitän Leon Goretzka, der wegen einer Schulterverletzung am Donnerstag die Heimreise nach Deutschland antreten musste. Damit haben nur noch Torwart Timo Horn, Max Meyer und Weltmeister Matthias Ginter das 0:5-Debakel im Halbfinale der U-21-EM 2015 in Tschechien miterlebt.

Die höchste Niederlage einer deutschen U 21 in 335 Spielen sei ein Jahr später trotzdem noch eine zusätzliche Motivation, sagt Hrubesch: „Das ist automatisch so. Alle haben gesagt, dass es eine Revanche wird.“ Für Arsenal-Profi Gnabry lautet das Motto am Sonnabend dennoch: „Neues Jahr, neue Mannschaft. Deutschland ist Favorit.“

Hrubesch sieht das ähnlich, zumindest eine erneute Schmach schloss er vor dem Wiedersehen aus. „Wir wissen ja noch, wie es damals zustande gekommen ist. Und wir werden das sicherlich nicht zweimal machen“, sagte das HSV-Surmidol. Das 0:5 habe ihn zwar geärgert, „aber an mir genagt hat das nicht. So wie das Spiel gelaufen ist, musste man das akzeptieren. Das muss erledigt sein, da muss man hart bleiben.“

Im Team aus dem Land des Europameisters hingegen stehen neben Trainer Rui Jorge noch sieben Spieler von damals im Kader, unter anderem Gonçalo Paciência. Der Stürmer war in den Spielen gegen den zweimaligen Olympiasieger Argentinien (2:0), Honduras (2:1) und Algerien (1:1) jeweils einmal erfolgreich. Aus der U 21 fehlen William Carvalho und João Mário, die bei der EM in Frankreich an der Seite von Superstar Cristiano Ronaldo den Titelgewinn feierten.

Die deutsche Mannschaft muss in jedem Fall eine sehr große Hürde nehmen. Vielleicht hilft die ungewollte Luftveränderung ein wenig. Lars Bender jedenfalls hat trotz kurzer Vorbereitung und kraftraubenden Gruppenspielen aufsteigende Form ausgemacht: „Man merkt langsam, es wird flüssiger, es wird griffiger, es wird besser. Wir müssen an dem Tag zu unserem Maximum hinkommen, dann können wir es schaffen.“

Sollte Deutschland gewinnen, geht es im Halbfinale in São Paulo gegen Nigeria oder Dänemark – beides keine leichten Aufgaben. Das ganz große Ziel bleibt nach der bisherigen Brasilien-Rundreise über Salvador, Belo Horizonte und Brasilia aber das olympische Dorf in Rio de Janeiro. „Da wollen wir unbedingt hin“, sagt Hrubesch. Um dort einziehen zu können gibt es aber nur eine Möglichkeit: den Einzug ins Finale.

Zur Einstimmung gab es erst mal Deftiges: Zum Vorrundenabschluss lud Hrubesch seine Mannschaft in das Hofbräuhaus von Belo Horizonte ein: „Die Jungs sollten den Kopf frei bekommen und essen, „was sie wollen. Wie zum Beispiel Leberkäse.“ (HA)