Die ersten Tage in Rio waren hart für mich. Das entschleunigte Arbeitstempo hier raubte mir den Nerv. Nehmen wir den Verkauf einer Flasche Wasser im Supermarkt meines Vertrauens. Die Frau an der Kasse kann das in wenigen Sekunden erledigen. Sie kann aber auch nebenher ein angeregtes Gespräch mit ihrem Kollegen beginnen, der gerade nichts Besseres zu tun hat. Und dabei glatt verdrängen, dass da jemand steht, der etwas kaufen möchte. Was wollten Sie doch gleich, Bier oder Cola?

Tags darauf die nächste, noch üblere Foltermethode. Gerade, als ich dran bin zu bezahlen, schaut die Dame erschrocken auf ihre Uhr. Mitternacht, höchste Zeit, jetzt mal das Geld zu zählen. Münze für Münze, Schein für Schein, vom Centavo bis zur 100-Reais-Note. Sie macht das gründlich. Das dauert eben. Als sie fast fertig ist, fällt dem Kollegen ein, dass da ja noch eine andere Kasse zu benutzen wäre. Damit niemand unnötig warten muss. In weniger als zehn Minuten hat er sie betriebsfähig bekommen.

Ich habe es aufgegeben, mich darüber zu ärgern. Seitdem schwitze ich weniger. Lieber versuche ich, die Erfindung der Langsamkeit in mein eigenes Leben zu integrieren. Sogar mit ersten kleinen Erfolgen. Gestern Abend habe ich es schon geschafft, vom Bad ins direkt gegenüberliegende Schlafzimmer drei Minuten zu brauchen. Fiel mir sehr leicht. Ich musste mir einfach nur vorstellen, ich stehe an der Kasse, um eine Flasche Wasser zu bezahlen. Endlich am Bett angekommen, bin ich sofort erschöpft eingeschlafen.