Rio de Janeiro. Hockey-Quartett ist lediglich Ersatz und darf Platz nicht betreten. Damen nach 2:0 gegen Südkorea im Viertelfinale

Der schlimmste Schmerz kommt, wenn das Spiel beginnt. Dann spüren sie, dass sie tatsächlich nur dabei sind bei diesen Olympischen Spielen, aber nicht mittendrin. Sie müssen auf der Tribüne sitzen, während ihre Mannschaften auf dem Platz Schritt für Schritt in Richtung Medaille machen. Und sie wissen, dass sie auf eine Verletzung hoffen müssen, damit sich an ihrem Schicksal etwas ändert. Weil sie Teamplayer sind, verbieten sich solche Gedanken. Und doch ist es ständig da, dieses Gefühl: nicht so richtig dazuzugehören, kein wirklicher Teil zu sein dieses Ereignisses, das für Sportler wie sie das Größte im Leben sein sollte.

Die Hamburger Katharina Otte (29), Yvonne Frank (36), Oliver Korn (32) und Oskar Deecke (30) teilen in Brasilien ein Schicksal. Sie sind in den deutschen Hockeyteams die „P-Akkreditierten“. Das sind jene Athleten, die als Ersatzspieler gemeldet sind für den Fall, dass im 16er-Kader jemand ausfällt. Sie haben einen Sonderstatus, der ihnen zwar erlaubt, im olympischen Dorf zu wohnen, mit ihren Teams zu trainieren und auch vor den Partien mit in die Kabine zu gehen. Aber den Platz dürfen sie nicht betreten. „Als Oskar und ich den Jungs beim Warmmachen ein paar Bälle sammeln wollten, wurden wir regelrecht weggejagt“, erzählt Oliver Korn, Mittelfeldspieler vom Uhlenhorster HC, „in diesen Momenten wird dir bewusst, welchen Stellenwert du hast.“

Katharina Otte verhehlt nicht, was sie von der Regelung hält. „Die P-Akkreditierung ist die Arschkarte, da muss man nicht drumherum reden“, sagt die Jurastudentin, die für den UHC in der Abwehr spielt und am Mittwoch dabei zuschaute, wie die Damen, die an diesem Donnerstag (22 Uhr MESZ) auf Spanien treffen, ihr drittes Gruppen-spiel gegen Südkorea durch Tore von Hannah Krüger (München / 55. Minute, Ecke) und Lisa Altenburg (Uhlenhorster HC / 58.) mit 2:0 gewannen und damit bereits im Viertelfinale stehen. Im Vergleich zu Peking 2008, wo es den Ersatzleuten nicht einmal gestattet war, im Dorf zu wohnen, habe sich zwar schon einiges verbessert. „Wir sind eingekleidet worden, dürfen mittrainieren und das Team begleiten. Aber man fühlt sich irgendwie überflüssig“, sagt Otte.

Ob es ein Vor- oder Nachteil ist, dass alle vier schon Olympische Spiele als Kadermitglieder erlebt haben, vermögen sie schwer einzuschätzen. „Einerseits weiß man, was man verpasst. Andererseits war ich immerhin schon mal dabei“, sagt Korn, der sogar 2008 und 2012 Olympiasieger wurde. „Im Großen und Ganzen ist unsere Rolle beschissen“, sagt Yvonne Frank.

Die Absurdität der Regel, die einst erdacht wurde, um die Kapazitäten des Athletendorfs nicht zu überlasten, zeigt sich auf der Torhüterposition. Würde sich Reynolds verletzen, dürfte Frank sie nicht sofort ersetzen, sondern erst im nächsten Spiel.

Die Hoffnung, dass 2020 in Tokio 18 feste Kaderspieler nominiert werden dürfen und die P-Regelung abgeschafft wird, haben die vier Leidenden nicht aufgegeben. Und sie wollen auch nicht undankbar erscheinen. „Immerhin erleben wir die Atmosphäre bei Olympia mit und können kostenlos zu den Hockeyspielen“, sagt Katharina Otte. Korn, der den bereits fürs Viertelfinale qualifizierten Herren das nächste Mal an diesem Donnerstag (17.30 Uhr MESZ) gegen Argentinien zuschauen wird, findet, „dass es schlechtere Dinge gibt, als in Rio akkreditiert zu sein.“

Und dann ist da noch Tobias Walter, Ersatztorhüter der Herren vom Harvestehuder THC, der als 19. Spieler nicht einmal eine P-Akkreditierung hat. Walter ist privat untergebracht, er hat keine Teambekleidung, Eintrittskarten muss er sich kaufen. „Das“, sagt Oliver Korn, „ist die echte Arschkarte.“