Hamburg. St. Paulis neuer Stürmer Aziz Bouhaddouz durchlebte beim 1:2 in Stuttgart ein ganz persönliches Wechselbad der Gefühle

Auch am Tag danach war bei den Spielern und Trainern des FC St. Pauli der Ärger über die in ihrer Entstehung unglückliche und objektiv betrachtet unnötige 1:2-Niederlage beim VfB Stuttgart zum Saisonauftakt noch nicht verflogen. „Bei mir dauert so etwas immer ein bisschen länger“, sagte sogar Cheftrainer Ewald Lienen (62), obwohl er in seiner Spieler- und Trainerkarriere sicher mehr als alle anderen aktuellen St. Paulianer erlebt hat. „Wo ist hier eine Wand, die ich eintreten kann“, hatte Lienen am späten Montagabend noch gesagt, ehe er die Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena verließ.

Auch Aziz Bouhaddouz hatte am Dienstag noch damit zu tun, seine Gefühle nach seinem ersten Punktspiel für den FC St. Pauli zu sortieren. Erst war der 29-Jährige Stürmer nach mustergültiger Vorarbeit von Fabrice-Jean „Fafa“ Picault der umjubelte Torschütze zur verdienten 1:0-Führung. Keine zehn Minuten später haftete ihm aber schon der Makel an, zwei weitere, hochkarätige Torchancen ungenutzt gelassen zu haben, wobei bei der zweiten Situation der Ball an den Innenpfosten geprallt und danach die komplette Torlinie entlang- gerollt war, ehe er ins Toraus abbog. „Stuttgart ist in der ersten Halbzeit ziemlich tot gewesen. Wenn wir das zweite Tor erzielen, kommt von denen auch nichts mehr“, sagte Bouhaddouz.

Schließlich musste sich der Torschütze bereits in der 70. Minute auswechseln lassen, weil er von muskulären Problemen im Oberschenkel geplagt wurde und deshalb nicht mehr wie in der ersten Halbzeit noch weite Wege gehen und nach hinten mitarbeiten konnte. „Ich habe mich während des Spiels nicht so gut gefühlt. Damit hatte ich vorher nicht gerechnet“, sagte er. „Es war deshalb aus meiner Sicht eher nur ein durchschnittliches Spiel von mir. “

Da nur eine Minute vor ihm auch sein ungleicher Sturmpartner Picault planmäßig ausgewechselt worden war, ging St. Pauli quasi auf einen Schlag die gesamte Offensivqualität verloren. So gerieten die Hamburger in der Schlussphase immer stärker in Bedrängnis und schließlich entscheidend durch Stuttgarts Kapitän Christian Gentner drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit in Rückstand. „Es hat sich gezeigt, dass bei beiden die Vorbereitung nicht rund gelaufen ist und sie deshalb nicht 90 Minuten auf diesem Niveau durchhalten können“, sagte Trainer Lienen über seine Top-Stürmer. „Normalerweise bin ich der Letzte, der sich gern auswechseln lässt“, sagte Bouhaddouz. „Ich denke, dass ich bald unserer Mannschaft über die ganze Spielzeit helfen kann. In der vergangenen Saison habe ich für Sandhausen mehr als 20 Begegnungen volle 90 Minuten bestritten.“

Unterdessen berichtete Bouhaddouz, dass er in der Nacht zum Dienstag im Teamhotel in Stuttgart noch eine ganze Zeit lang über das Geschehen in den 90 Spielminuten nachgedacht habe. „Ich habe überlegt, was ich hätte besser machen können und bin erst um drei oder halb vier eingeschlafen“, erzählte er am Dienstag. Es sei nach späten Spielen bei ihm aber meist so, dass er ein wenig mehr Zeit brauche, um zur Ruhe zu kommen. „Andere schlafen dagegen schon direkt auf der Busfahrt vom Stadion ein“, erzählte er.

Positiv bleibt festzuhalten, dass der große, wuchtige Bouhaddouz und der kleine, flinke Picault ein Sturmduo bilden, das in dieser Saison noch manchen gegnerischen Abwehrreihen Probleme bereiten wird. Unter diesem Eindruck stand Trainer Ewald Lienen offenbar auch, als er feststellte: „Obwohl wir verloren haben, war es ein guter Saisonstart von uns.“ Das klang dann schon gar nicht mehr so frustriert, sondern schon richtig trotzig.

Aus dem Zweitligakader sind an diesem Mittwoch (19.30 Uhr) Svend Brodersen, Jacob Rasmussen, Joel Keller, Maurice Litka und Nico Empen in St. Paulis U23-Team im Regionalligaspiel beim SV Drochtersen/Assel im Einsatz.