Rio de Janeiro. Der Vielseitigkeits-Olympiasieger von London 2012 siegt mit Sam auch in Rio. Die Mannschaft holt noch Silber hinter Frankreich

Der Weg nach seinem „historischen“ Triumph führte Vielseitigkeitsreiter Michael Jung erst einmal in die Arme seiner Eltern Joachim und Brigitte. Anschließend musste der 34-Jährige nach seinem erneuten olympischen Gold-Coup in Rio de Janeiro jede Menge Hände schütteln und Selfies machen lassen. Etwas mehr als zwei Stunden, nachdem er schon mit der Mannschaft Silber gewonnen hatte, wiederholte der Ausnahmereiter mit seinem Wallach Sam im abschließenden Springen seinen Triumph von den Sommerspielen vor vier Jahren in London. Zugleich war es das erste Gold für das deutsche Olympiateam in Rio.

„Man darf ruhig das Wort ,historisch, benutzen. Für ihn gehen die Superlative aus“, sagte Dennis Peiler, Sportchef beim nationalen Reitsportverband FN. Generalsekretär Sönke Lauterbach rief: „Wahnsinn.“ Jung hatte mit seiner Nullrunde im Teamwettbewerb zugleich die Führung im Einzel-Klassement übernommen. Als letzter Starter im Olympiapark Deodoro behielt er erneut die Nerven und kam ohne Strafpunkte ins Ziel. Silber ging an den Franzosen Nicolas Astier, Bronze an den Amerikaner Phillip Dutton mit Mighty Nice. Doppel-Weltmeisterin Sandra Auffarth aus Ganderkesee bei Bremen kam mit Opgun Louvo auf Rang elf, Ingrid Klimke aus Münster wurde auf Hale Bob 14.

Zuvor hatten Jung, Auffarth und Klimke mit dem deutschen Team nach einer tollen Aufholjagd von Platz vier aus noch Silber hinter dem neuen Olympiasieger Frankreich geholt. Dritter war Australien geworden. Julia Krajewski aus Warendorf durfte mit Samourai im Springen nicht mehr antreten. Die 27 Jahre alte Olympia-Debütantin war am Montag beim Geländeritt nach drei Verweigerungen ausgeschieden, durfte sich aber dennoch über die Medaille aus der Hand der englischen Prinzessin Anne freuen.

Bundestrainer Hans Melzer hatte beim Teamfinale nicht mehr hinsehen können. Als das kaum noch für möglich gehaltene silberne Happy-End perfekt war, stand er etwas abseits vom Geschehen. „Nachdem Michi geritten war, bin ich weggegangen“, berichtete der 65-Jährige über die entscheidenden Minuten. „Ich konnte das nicht mitanschauen.“ Dass es tatsächlich noch zu Rang zwei reichte, hatte der Coach erst nur gehört: „Ich habe auf die Reaktionen im Stadion gewartet.“

Mit drei makellosen Ritten im abschließenden Springen hatten Auffarth, Klimke und Jung den schlechten Gelände-Auftritt der hochgehandelten Favoriten wettgemacht. Möglich machten den Sprung auf das Podium hinter den Franzosen die Patzer der Konkurrenz aus Australien und Neuseeland. Der überragende Jung gab zu: „Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, dass man sich nicht über die Fehler der anderen ein wenig freuen würde.“

„Das war ein Herzschlagfinale. Die Berg- und Talfahrt hat sich heute fortgesetzt“, sagte Sportchef Peiler. „Nach dem Gelände mussten wir das erstmal verdauen. Jetzt sind wir überglücklich. Es ist unglaublich, wie sich das noch gedreht hat.“ Verbandschef Breido Graf zu Rantzau schwärmte: „Da kann man einfach nur glücklich sein.“ Dass die Equipe den deutschen Gold-Hattrick nach den Siegen in Hongkong 2008 und London 2012 verpassen würde, stand schon am Montag nach einem der schlechtesten deutschen Ergebnisse im Gelände seit Jahren so gut wie fest. Doch zumindest Silber und Bronze war dank Jungs fehlerfreier Runde im Gelände noch möglich.

Bundestrainer Melzer war „unheimlich stolz“, dass sein Team doch noch für das erste Edelmetall der deutschen Olympiamannschaft gesorgt hat. „Das war ja in London das Gleiche.“ Nur dass in Rio eine „Aufholjagd sondergleichen“ notwendig war. „Das ist schon toll“, schwärmte Melzer: „Das ist eine Belohnung für die Reiter.“

Dennoch ist es die erste Niederlage der Deutschen bei einer internationalen Großveranstaltung seit sechs Jahren. Das Team der Bundestrainer Melzer und Chris Bartle hat seitdem unter anderem dreimal bei Europameisterschaften und bei der WM 2014 gewonnen.