Rio de Janeiro. Junioren-Welthockeyspieler Christopher Rühr gilt im Team des Olympiasiegers als möglicher Shootingstar

Nein, rundum zufrieden konnte Christopher Rühr nicht sein am Sonnabendabend. Natürlich, der 6:2-Auftaktsieg gegen Kanada, mit dem die deutschen Hockeyherren standesgemäß in das olympische Turnier gestartet waren, gab wenig Anlass zu Kritik. „So haben wir es uns vorgestellt, auch wenn wir offensiv und defensiv noch Luft nach oben haben. Alles in allem war das aber zufriedenstellend“, sagte der Angreifer vom deutschen Meister Rot-Weiß Köln.

Dass sein Name in der Statistik unter dem Eintrag „Torschützen“ fehlte, war vor allem David Carter zuzuschreiben. Kanadas Keeper war trotz der Tore des Hamburgers Moritz Fürste vom Uhlenhorster HC, der per Siebenmeter (3. Minute) und Strafecke (33.) traf, der Krefelder Niklas Wellen (7./46.) und Linus Butt (26.) und einer weiteren Ecke des in Hamburg aufgewachsenen Kölners Mathias Müller (14.) der beste Mann auf dem Feld und vereitelte vor allem in der ersten Halbzeit Großchancen in Serie. „Er war überragend“, lobte auch Rühr, der viermal aussichtsreich an Carter gescheitert war.

Überragend – dieses Prädikat möchte der Stürmer in den kommenden Tagen, die an diesem Montag (16 Uhr MESZ) das nächste Gruppenspiel gegen Indien vorsehen, auch über sich selbst lesen. Immerhin halten nicht wenige Experten den Spektakelspieler, der in der Saison 2014/15 für den Club an der Alster in Hamburg und davor für Uhlenhorst Mülheim auflief, im Team des Olympiasiegers von 2008 und 2012 für einen der aussichtsreichsten Kandidaten auf den Titel des Shootingstars. Rühr weiß das, entsprechend viel Druck hatte er sich vor der Nominierung gemacht. „Als zweimaliger Junioren-Welthockeyspieler will man natürlich überzeugen, deshalb habe ich mich in der Zeit bis zur Nominierung viel mit mir selbst beschäftigt, manchmal zu sehr“, sagt er.

Mit der Berufung in den Rio-Kader durch den Hamburger Bundestrainer Valentin Altenburg sei dann aller Druck von ihm abgefallen, sagt der Edeltechniker mit dem Turboantritt. „Jetzt ist es nur noch ein Teamdenken. Ich will meine Qualitäten einbringen, um meinen Beitrag zu einem erfolgreichen Turnier zu leisten. Bisher habe ich bei Großevents immer gut gespielt, das trägt dazu bei, dass ich relativ entspannt bin.“

Die Aufregung des Debütanten ist dem Tennisfan, der im Athletendorf auf ein Treffen mit dem Weltranglistenersten Novak Djokovic hofft, dennoch anzumerken. Und er versucht auch gar nicht erst, diese zu verbergen. „Ich finde das absolut angemessen, dass man bei seinen ersten Olympischen Spielen alles in sich aufsaugen will“, sagt er. Dennoch gelte es, sich so professionell wie nötig zu verhalten, um den Fokus auf die eigentliche Aufgabe nicht zu verlieren. Dass die, die schon olympische Erfahrung gesammelt haben, die Premiere unter den Ringen mit einem Film vergleichen, durch den man hindurchstolpert, hält Rühr nach den ersten Tagen für plausibel. „Wir müssen nur dafür sorgen, dass der Film ein Happy End hat“, sagt er.

Das Potenzial, wieder um die Medaillen mitzuspielen, habe die Mannschaft, davon ist Rühr fest überzeugt. „Man kann uns auf jeden Fall in einem Atemzug mit den Favoriten nennen“, sagt er, „an einem guten Tag können wir auch mit Australien mithalten.“ Das Team denke offensiv und wolle in jeder Partie das Spiel gestalten, was einem wie ihm zugute kommt. Während andere Teams die Gruppenphase bisweilen zum Taktieren nutzen, gibt es für die DHB-Herren nur einen Gang: Vollgas. „Es ist Olympia, darauf wartet man sein Leben lang“, sagt Christopher Rühr, „wer da nicht alles gibt, hat nichts verstanden.“ Gegen Indien haben Rühr und sein Team die nächste Chance zu zeigen, dass sie alles verstanden haben.