Rio de Janeiro. Die Wasserspringer bestreiten heute Abend ihren letzten großen Wettkampf zusammen

Patrick Hausding verdreht die Augen bei der Frage, wie die Vorbereitung auf den wichtigsten Wettkampf seines Lebens gelaufen ist. Die Schulter des Wasserspringers aus Berlin schmerzt seit Monaten. Seinen Partner Sascha Klein aus Aachen, mit dem er am Montagabend (21 Uhr) synchron vom zehn Meter hohen Turm ins Becken springen wird, hat kurz vor der Rio-Generalprobe Mitte Juli in Bozen eine Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk außer Gefecht gesetzt.

Sie könnten verunsichert sein angesichts der Voraussetzungen. Dass sie es nicht sind, hat zwei Gründe. Patrick Hausding (27) und Sascha Klein (30) sprangen 2006 erstmals zusammen und haben übereinander gelernt, dass der andere im entscheidenden Moment alle Schmerzen verdrängen kann. Hinzu kommt, dass sie oft gerade dann auftrumpften, wenn die Vorzeichen alles andere als günstig waren.

So wie vor jenem großen Finale 2013, das sie zum Schrecken der Chinesen werden ließ. Bei der Weltmeisterschaft in Barcelona brachen die beiden die unbrechbar erscheinende Dominanz der Asiaten und gewannen Gold. Ein Jahr zuvor hatten sie bei den Olympischen Spielen in London mit Platz sieben noch die größte Enttäuschung ihrer Karriere erlebt und waren danach an einem Tiefpunkt, auch körperlich.

„Es ist schwer zu erklären: Das ganze Jahr über war ich verletzt“, erinnert sich Klein. „Mal war es der Ellenbogen, dann der Rücken. Erst im Mai 2013 bin ich das erste Mal ins Wasser gesprungen, dann aber gleich perfekt. Drei Wochen später wurden wir Europameister, danach gewannen wir den Weltcup. Ende Juli waren wir Weltmeister.“ Obwohl da noch ein Muskel am Oberarm so weh tat, dass Klein erst einen Tag vor dem Wettkampf wieder normal eintauchen konnte. Timing für Nervenstarke.

Vor acht Jahren gewannen sie in Peking Silber vom Turm

Ähnlich war es vor ihren ersten Olympischen Spielen 2008 in Peking. Klein war vorher krank, Hausding musste wegen einer Handverletzung sechs Wochen aussetzen. Im Wettkampf war davon wenig zu sehen, außer beim Rückwärtssalto gehechtet, den haben sie vermasselt. Trotzdem blieben sie in der Spitzengruppe, waren Vierter, ihr letzter Sprung gelang gut. Beim anschließenden Duschen sahen sie ihrer Konkurrenz zu. Ein Duo patzte. „Du Sascha, wir haben ‘ne olympische Medaille sicher“, jubelte der Berliner. Als auch das nächste Duo einen Fehler machte, jauchzte er: „Sascha, wir haben Silber!“ Noch heute, sagt er, „bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich die Geschichte erzähle“.

Sie haben sich gefunden, ohne sich wirklich gesucht zu haben. Äußerlich sind sie nicht das perfekte Duo, Hausding (1,81 Meter) ist acht Zentimeter größer als Klein. Das wirkt beim Sprung aus zehn Metern auf den ersten Blick nicht elegant, doch es gelingt ihnen, in den eineinhalb Sekunden Flugzeit sehr synchron zu bleiben. Eher zufällig starteten sie 2006 zum ersten Mal gemeinsam, weil Kleins Partner Heiko Meyer ausfiel. Als der seine Karriere 2007 beendete, begann die erstaunliche Erfolgsserie des neuen Duetts. Neunmal in Folge wurden Klein/Hausding Europameister, zuletzt 2016 in London, 2011 WM-Zweite in Shanghai. Spätestens seitdem sind sie im Wasserspringer-Land China bekannter als in Deutschland.

Nur kurz vor wichtigen Wettkämpfen trainieren sie zusammen ihre Sprünge. Es geht gar nicht anders. Klein zog 2010 mit seiner Freundin von Aachen nach Dresden. Nicht für lange, die Freundin zog drei Jahre später wegen ihres Jobs zurück, Seitdem pendelt Klein. Schon deshalb ist klar, dass die Spiele in Rio ihr letzter großer gemeinsamer Auftritt sind.