Rio de Janeiro. Deutsche Handballer gehen mit gedämpftem Optimismus ins olympische Turnier. Sonntag erstes Spiel

Mitten im Interview zuckt Bob Hannings Hand plötzlich durch die Luft. Mit einem gezielten Schlag bringt der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) eine fette Mücke zu Boden, die im Deutschen Haus am Barra Blue Beach auf der Suche nach Opfern herumschwirrt. Ein gezielter Tritt mit dem Fuß, und die gute Tat des Tages, deutsche Journalisten vor bösen Viren zu bewahren, ist getan. Hanning dreht sich wieder der Kamera zu und setzt das Interview fort.

Wenn die deutschen Handballer am Sonntag (16.30 Uhr MESZ) gegen Schweden in das olympische Turnier starten, wird aus der Mückenjagd die Hatz nach einer Medaille. Für den Europameister ist es der erste Auftritt bei einem Großereignis, seit am 31. Januar in Krakau der 24:17-Finalsieg gegen die favorisierten Spanier gelang. Und weil Hanning schon vor dem EM-Coup nicht müde wurde zu betonen, dass Bundestrainer Dagur Sigurdsson die Mannschaft spätestens 2020 in Tokio zum Olympiasieg führen solle, tritt die DHB-Auswahl mit der Bürde an, bei nicht wenigen Experten mindestens als Medaillenkandidat zu gelten.

Diesen Druck wollen Sigurdsson und Hanning allerdings gar nicht erst aufnehmen. Im Gegenteil: Nach eher durchwachsenen Auftritten in der Vorbereitung mit einer 19:25-Niederlage gegen Dänemark Ende Juli versuchten beide, die Erwartungen zu dämpfen. „Wir haben in den Tests nicht überzeugt, auch nicht so verteidigt, wie wir wollten. Vor der EM waren wir weiter“, sagte Hanning, der sich von Ansprüchen anderer aber grundsätzlich nicht unter Zugzwang setzen lassen will. „Wichtig ist nur, was die Mannschaft will. Den wahren Leistungsstand sieht man sowieso erst, wenn das Turnier beginnt.“

Bundestrainer Sigurdsson, der mit seinem kompletten 14er-Kader am Donnerstagmittag erstmals in der Spielstätte Future Arena trainierte, will in den Tagen bis zum ersten Spiel dafür sorgen, dass seine Spieler vom Touristen- auf den Spielmodus umschalten. Kein einziger seiner Akteure hat bislang ein olympisches Turnier erlebt. „Da ist es klar, dass wir erst den Rhythmus finden müssen“, sagte der 43 Jahre alte Isländer. Man habe dem Team bewusst viele Freiheiten gelassen. Auch die Teilnahme an der Eröffnungsfeier an diesem Freitagabend ist freiwillig. Bis auf Torhüter Andreas Wolff (THW Kiel), der seinen Schlafrhythmus nicht gefährden will, wollen alle Spieler ins Maracanã-Stadion einlaufen.

Andererseits hat Sigurdsson auch immer darauf hingewiesen, den Fokus auf die sportliche Aufgabe nicht zu verlieren. Angesichts der weiteren Gruppengegner Polen (Dienstag, 16.30 Uhr), Brasilien (Donnerstag, 21.40 Uhr), Slowenien (13. August, 14.30 Uhr) und Ägypten (15. August, 16.30 Uhr) hält Hanning den Einzug ins Viertelfinale, das die jeweils besten vier Teams der beiden Sechsergruppen erreichen, für realistisch. „Und wenn wir das gewinnen, dann sind es nur noch 120 Minuten bis zum Olympiasieg“, sagte der 48-Jährige. Sigurdsson, der Frankreich und Dänemark als seine Goldfavoriten nannte, gab sich auf seine Art ebenso selbstbewusst. „Es gibt sicherlich drei, vier Teams, die auf dem Papier besser sind als wir. Aber wenn Papier gewonnen hätte, dann wären wir auch nicht Europameister geworden“, sagte er.

Es ist das Vertrauen in die Homogenität des Teams, das die Verantwortli-chen an ein erfolgreiches Olympiatur-nier glauben lässt. Auch die 18:19-Niederlage in der geheimen Generalprobe gegen Kroatien am Mittwoch sei ein Mutmacher gewesen. „Da hat sich bemerkbar gemacht, dass wir auf einem guten Weg sind“, sagte Hanning, dem besonders das 20-minütige interne Testspiel im Anschluss gefiel. „Da war die Intensität drin, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein“, sagte er. Dass die Mannschaft jedes Spiel gewinnen wolle, wisse man. „Jetzt müssen wir nur den Schlüssel dazu finden.“ Und den Killerinstinkt zeigen, den Hanning, der ehemalige HSV-Trainer, am Donnerstag auf seiner Mückenjagd nachwies.