Die Bilanz seines ersten Dienstjahrs in Wolfsburg klingt überschaubar: 21 Bundesliga-Einsätze, fünf Treffer, fünf Torvorlagen. In einem Interview vor Beginn seiner zweiten Spielzeit hätte Julian Draxler Selbstkritik üben („Auch wegen mir hat Wolfsburg das internationale Geschäft verpasst“) oder Besserung loben können („Ich greife an, versprochen“). Stattdessen sendete der Nationalspieler am Mittwoch via „Bild“ eine ganz andere Botschaft: Ich will weg, und zwar sofort. Praktischerweise saß der Medienberater seines Spielervermittlers Roger Wittmann gleich mit am Interviewtisch. Wittmann, der zu den umstrittensten Figuren der Branche zählt, weiß schließlich, dass er bei einem Wechsel erneut ein millionenschweres Honorar kassieren wird.

Nun ist der Vermittler-Doppelpass mit dem Boulevard eine seit Jahren geübte Taktik, um einen Verein unter Druck zu setzen. Der Fall Draxler ist indes an Verlogenheit nicht mehr zu überbieten. Da stellt sich ein 22-Jähriger Profi hin und greint, schon bei seinem Wechsel vor einem Jahr sei immer klar gewesen, „dass ich bei einem entsprechenden Angebot zu einem internationalen Top-Club gehen möchte“. Nur zur Erinnerung: Wolfsburg überwies 2015 an den FC Schalke 35 Millionen Euro Ablöse, Draxler unterzeichnete einen Kontrakt über fünf (!) Jahre.

Sein Arbeitgeber zog am Abend die einzig richtige Konsequenz, in dem er öffentlich einen Wechsel kategorisch ausschloss. Doch was wird passieren, wenn ein englischer Clubbesitzer ein unmoralisches Ablöse-Angebot auf den Tisch legen sollte? Bleibt der VfL dann dennoch hart? Oder geht das miese Wittmann-Manöver am Ende doch noch auf? Wie sehr die Fans die Gier der Generation Raffke verstört, spielt in dieser Branche schon längst keine Rolle mehr.