Hamburg. Basketball- Zweitligist startet heute in die dritte Saisonvorbereitung. Rob Ferguson ist immer noch da

Während des Gesprächs mit Robert Ferguson bei Mr. Kebab in Wilhelmsburg schiebt plötzlich Towers-Trainer Hamed Attarbashi Söhnchen Nadeem im Buggy in den Laden. Ferguson greift sich den zehn Monate alten Strahlemann mit den vier Zähnen. Der Mini-Hamed hüpft sofort auf seinem Schoß umher. Attarbashis Frau Evin und Fergusons Frau Verena sind ziemlich beste Freundinnen. Und Nadeem wächst mit Fergusons Töchtern Aaliyah (fast zwei) und Hazel Grace (zwei Monate) auf. „Die beiden sind zuckersüß“, sagt Attarbashi. Bei aller Freundschaft der zwei Familien sagt der 39 Jahre alte Headcoach aber klipp und klar: „Ich stelle ‚Rob’ nicht deshalb auf, weil ich seine Frau mag. Wir trennen das professionell.“ Und sein Kapitän meint: „Wenn die Saison losgeht, ist er nur noch: ‚Coach‘.“

Rob Ferguson mit seiner Frau Verena und seinen zwei Töchtern
Rob Ferguson mit seiner Frau Verena und seinen zwei Töchtern © privat | privat

Robert Lavon Ferguson (31), Teamspitzname „Opa“, ist nicht nur der älteste, sondern auch der dienstälteste Profi im Kader des Hamburger Basketball-Zweitligisten. Überhaupt die einzige Stammkraft, die in der dritten Saison noch mit an Bord ist bei den Elbkorbjägern. Was diesen Club für ihn so besonders mache? Die Towers seien einfach eine „Big Family“, sagt der große Flügelspieler (Forward) aus Florida. Als Töchterchen Aaliyah in der letzten Spielzeit mal seine Frau und ihn mit einem Magen-Darm-Virus ansteckte und alle flachlagen, sauste Attarbashi zur Apotheke und stand kurz darauf mit Medizin vor der Wohnung der Fergusons. „Er hielt uns die Sachen mit langem Arm in die Tür, weil er sich nicht auch noch anstecken wollte“, erzählt Ferguson amüsiert und spielt die Szene mit ausgestrecktem Arm und weggedrehtem Gesicht nach.

Ferguson spielt den „selbstlosesten“ Basketball

Drei Jahre beim selben europäischen Verein ist für einen US-Profi eine Basketball-Ewigkeit. Zuvor spielte er in Argentinien, Uruguay, Island und Marokko. „Mein Agent hat nur danach geguckt, wo es das meiste Geld gab.“ Ferguson erlebte viel, schwamm in Island in der Blauen Lagune, aber jetzt ist er angekommen. Daran war seine Frau Verena (24) nicht ganz unbeteiligt, die er auf einer Silvesterparty 2010/11 kennenlernte. Sie stammt aus Gundelsheim bei Bamberg und war Zweitliga-Basketballerin, er spielte damals in Crailsheim. Er kann, wenn er sich nicht ziert, exzellent Deutsch. Die Sommerferien verbrachten sie wieder bei den Schwiegereltern. „Rob ist schon halber Deutscher, er spricht besser Bayerisch als ich“, meint Attarbashi. Ferguson präzisiert: „Fränkisch.“ Dabei müsse man quasi an alles ein „-le“ hängen und das R rollen, erklärt er. „Frrränkisch.“ Auch Hamburgisch schnappte er schon auf. „Digga“, fällt ihm ein. Er grinst.

Alle anderen Nordamerikaner bei den Towers kamen und gingen nach nur einer Spielzeit – ob nun im ersten Jahr der allzu sehr an den Cheerleaders und Kiezclubs interessierte Terry „Air Canada“ Thomas und der intellektuelle Politikertypus Will Barnes (nach seiner Knie-OP nun bei Drittligist Rist Wedel) - oder im zweiten Jahr: Hobby-Rapper Xavier „X“ Roberson, der Mann für die wilden Dreier, und „Monsterblocker“ Jonathon Williams, der in diesem Sommer zu viel Gehalt gefordert hatte. Nur Ferguson blieb. Derjenige, der aus dem Quintett trotz imposanter Statur (2,03 Meter/110 Kilo) auf den ersten Blick am wenigsten auffiel. Seine Story bei den Towers hatte auch unglamourös begonnen: Als „Try On“-Spieler auf Probe, damals nach seiner Knie-Operation.

Auf den zweiten Blick wird Fergusons Wert klar. „Er ist der Angelpunkt im Spiel, die gute Seele. ‚Rob’ spielt den selbstlosesten Basketball und ist der große Bruder“, sagt Hinnerk Smolka, der mit den Towers speziell am Teambuilding arbeitet. In dieser Saison muss Ferguson, Stand jetzt, nur einem Importspieler mit großbrüderlichem Rat zur Seite stehen: dem US-Guard DeAndre Lansdowne (27). Der Roberson-Nachfolger spielte aber schon vorher in Deutschland – als zweitbester Drittliga-Scorer bei den Hertener Löwen.

Fergusons selbstloser Basketball zeichnet sich dadurch aus, dass er als Allrounder immer die Rolle übernimmt, für die er beim aktuellen Verletzungsstand gebraucht wird. Mit seinem Körper kann er als Center und Abwehrkante aushelfen und auch mal mit null Punkten leben. Mit seinen Shooter-Qualitäten versenkte er in der Vorsaison andererseits 36 „Dreier“, und er hat mit seiner Erfahrung ein cooles Händchen für Schlusssirenen-Körbe. Mit seiner Statistik 2015/16 (im Schnitt 26 Minuten, 7,5 Punkte, 5,1 Rebounds) war er selbst nicht ganz zufrieden. „Ich will in allen Bereichen besser werden.“

Ferguson redet nicht zu viel. „Ich bin eher ein Beobachter.“ Stille Wasser sind tief („Still waters run deep“), das passt ganz gut zu ihm. Das Hobby dieses Turms von Mann ist Malen und Zeichnen, Kunst war sein Hauptfach am College. Er hat aber länger nicht mehr gemalt. Seine letzten Bilder hängen zu Hause in Fort Myers, wo er als mittleres Kind mit drei Brüdern und drei Schwestern aufwuchs. Ein ungeahntes Talent hat er auch vor der Kamera. Bei den Fotoshootings der Towers sei er stets der fotogenste, verrät Pressesprecher Jan Fischer. Merchandising-Shirt an, eine einzige Pose, ein Lächeln, und zack, alles im Kasten. Als Dressman wird „Rob“ Ferguson aber nicht am dringendsten gebraucht. Die Towers-Familie braucht ihn als erfahrenen Allrounder, Kapitän und Freund.