Marienfeld. Als Alternative für Albin Ekdal, der immer mehr in die Chefrolle schlüpfen will, sucht der Verein Verstärkung im defensiven Mittelfeld

Auf größere Geschenke musste Albin Ekdal verzichten. Mal wieder. Ein müdes „Happy Birthday“ von Zimmernachbar Nabil Bahoui, mehr war nicht drin für den Mittelfeldspieler des HSV am Donnerstagmorgen. Ekdal ist es gewohnt, seinen Geburtstag in einem Trainingslager zu verbringen. In diesem Jahr sollte es im ostwestfälische Marienfeld sein. Zum zweiten Mal ist Ekdal in der Klosterpforte dabei. Nach einem schwierigen ersten Jahr beim HSV mit vielen Verletzungen und sportlichen Wellentälern wünscht sich der Schwede zu seinem 27. Geburtstag aus sportlicher Sicht nur zwei Dinge: „Gesundheit und eine bessere Saison.“

Der sportliche Erfolg des HSV in der kommenden Spielzeit wird dabei eng mit dem Namen Ekdal verbunden sein. Auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld ist der Nationalspieler, der vor einem Jahr für 4,5 Millionen Euro von Cagliari Calcio aus Italien kam, derzeit der einzige gesunde HSV-Profi. Sein Stellvertreter Gideon Jung wird an diesem Freitagabend im Testspiel bei Zweitligist VfL Bochum (20 Uhr/Sport1 live) zwar erstmals wieder im Kader von Trainer Bruno Labbadia stehen, ob der 21-Jährige aufgrund seiner Bandscheibenproblematik ab sofort wieder dauerhaft belastet werden kann, ist noch unklar.

Während Labbadia nach den Millionen-Transfers von Alen Halilovic (20/FC Barcelona) und Filip Kostic (23/VfB Stuttgart) in der Offensive deutlich mehr Potenzial dazubekommen hat, bleibt das defensive Mittelfeld die Pro­blemzone des HSV. Das Fachmagazin „Kicker“ hat kürzlich seine halbjährige Rangliste der Bundesliga veröffentlicht, aufgeteilt nach Positionen. 24 Spieler schafften es in der Kategorie Mittelfeld defensiv auf die Liste, darunter Spieler vom FC Ingolstadt, Darmstadt 98 oder Absteiger VfB Stuttgart. Vom HSV war keiner dabei. Kein Ekdal, kein Jung, kein Lewis Holtby.

Dass der HSV nach einer ordent­lichen Hinserie in der Rückrunde noch Richtung Abstiegskampf rutschte, hatte viel zu tun mit Holtbys Formtief und Ekdals Verletzungsserie. Nach einer komplizierten Sprunggelenksverletzung im Herbst erlitt Ekdal nach monatelanger Pause im Frühling eine muskuläre Verletzung. Zu guter Letzt stürzte er kurz vor Saisonschluss auf einer Party in einen Glastisch und zog sich eine schwere Schnittwunde im Rücken zu, die ihn beinahe um die Teilnahme an der Europameisterschaft in Frankreich brachte. „Ich weiß auch nicht, warum ich so oft verletzt war, aber ich habe gelernt, mehr auf meinen Körper zu achten“, sagte Ekdal jetzt.

Über seine Verletzungen will er jetzt nicht mehr sprechen. Das sei Vergangenheit. „Ich bin körperlich besser drauf als vor einem Jahr“, sagt Ekdal. „Jetzt will ich dem Verein und dem Trainerteam das Vertrauen zurückzahlen, das sie in mich gesetzt haben. Der HSV hat viel Geld für mich in die Hand genommen. Ich will jetzt noch mehr Verantwortung übernehmen und auf dem Platz ein Führungsspieler sein.“

An Ekdals Gesundheitszustand hängt auch die weitere Transferplanung des HSV. Bleibt er fit, ist er auf der Sechs, dem defensiven Part im zentralen Mittelfeld, bei Labbadia gesetzt. Fällt er aus, stünde derzeit nur Jung als Abräumer zur Verfügung. Alle anderen Kandidaten für die Doppelsechs – Holtby, Aaron Hunt und Finn Porath – kommen nur für den offensiven Part, die sogenannte Acht, infrage.

Sportchef Dietmar Beiersdorfer stellt diese Situation vor eine Herausforderung. Er sucht für das defensive Mittelfeld noch eine Verstärkung. Diese sollte dem HSV sofort weiterhelfen können, müsste sich gleichzeitig aber zunächst hinter Ekdal eingliedern. Im Optimalfall sollte der potenzielle Neuzugang auch in der Innenverteidigung einsetzbar sein. „Wir halten unsere Augen offen. Es ist aber nicht unser Hauptaugenmerk. Wichtiger ist, dass die Spieler, die wir haben, besser werden“, sagt Labbadia.

Damit meint der Trainer auch Ekdal, der in seiner ersten Saison beim HSV nur auf 14 Bundesligaspiele kam. „Wir wollen alle besser spielen als letztes Jahr. Wir haben interessante Spieler verpflichtet. Schnelle und junge Spieler. Die Erwartungen sind jetzt höher“, sagt Ekdal, der nach dem Rücktritt von Superstar Zlatan Ibrahimovic auch in der schwedischen Nationalmannschaft mehr Verantwortung übernehmen will. „Mein Fokus liegt jetzt aber beim HSV.“

Der Fokus von Sportchef Beiersdorfer liegt derweil weiter auf der Sechs. Am Donnerstag traf er sich in der Klosterpforte mit dem bekannten Spielerberater Rodger Linse. Der Niederländer vermittelte Beiersdorfer einst Spieler wie Khalid Boulahrouz, Joris Mathijsen oder Nigel de Jong zum HSV. Insbesondere nach einem Spieler wie de Jong, der 2006 für 1,5 Millionen Euro von Ajax Amsterdam kam und zwei Jahre später für 19 Millionen Euro zu Manchester City ging, hält Beiersdorfer Ausschau. „Solche Spieler sind auch heute noch zu finden, man muss nur die entsprechenden Marktkenntnisse und ein wenig Mut haben“, sagt Berater Linse.

Gut möglich, dass der HSV mit der Hilfe von Geldgeber Klaus-Michael Kühne für einen neuen Sechser aber deutlich mehr als 1,5 Millionen Euro investiert. Für den 19 Jahre jungen Nigerianer Onyinye Ndidi vom belgischen Club KRC Genk müsste Beiersdorfer etwa sieben bis zehn Millionen Euro zahlen. Vor einem Jahr hatte Kühne dem HSV auch geholfen, den Transfer von Ekdal zu realisieren.

Mit einem Jahr Verzögerung soll sich diese Investition jetzt bezahlt machen. Ekdal ist zuversichtlich, mit dem HSV eine gute Saison zu spielen. „Wir haben interessante Spieler dazubekommen“, sagt er, „jetzt liegt es an uns.“ Und vor allem auch an Ekdal selbst. Bleibt er jetzt endlich gesund, könnte er für den HSV noch ein großes Geschenk werden.