Hamburg. Katamarane duellieren sich in Hamburg beim Extremsegeln. Abendblatt-Reporterin saß an Bord

„Annabell, are you ready?“ Ein braun gebrannter Sonnyboy mit schnittigem blonden Kurzhaarschnitt und angeknipstem Dauergrinsen schaut mich erwartungsvoll durch seine kantige Sonnenbrille an. Nachdem ich dreimal innerhalb der letzten halben Stunde die Toilette besucht habe und in dem wind- und wasserfesten Segelanzug bei bestem Hamburger Wetter bereits im Schweiße meines Angesichts stehe, kann es wohl losgehen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich vor meinem ersten Segelturn nicht die spektakulärsten Videos vom Kentern auf YouTube anzuschauen ...

In einem Selbstversuch habe ich die einzigartige Möglichkeit, einige der besten Segler der Welt, die am Freitag ihre Regatten im Rahmen der Extreme Sailing Series im Hafen austragen, hautnah zu erleben. Auf dem fünfminütigen Fußmarsch vom Hamburg Cruise Center zum Hafenbecken komme ich dennoch ins Grübeln. Warum tust du dir das freiwillig an? Ausgerechnet jemand, der die einzigen Erfahrungen auf einem Boot in der fünften Klasse im Biber-Camp in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt hat. „Du wirst richtig viel Spaß haben“, unterbricht der „Grinsemann“, dessen Namen ich mir vor Nervosität gar nicht erst gemerkt habe. Ob er mir meine Zweifel ansieht?

Mitten im Becken der HafenCity liegen acht Katamarane mit monströsen Ausmaßen. 16,5 Meter ragt der Mast in die Höhe, das Hauptsegel könnte mit 60 Quadratmetern locker den Grundriss einer Zweizimmerwohnung in Eppendorf bilden. Fast zehn Meter lang sind die beiden Rümpfe. „GC32“ heißt die Bootsklasse, die Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 70 Kilometern in der Stunde zulässt.

Kein Segler des britischen Teams ist älter als 22 Jahre

„Grinsemann“ setzt mich mit einem Motorboot beim Katamaran des Land Rover BAR Academy Teams ab, das vom britischen Spitzensegler Sir Ben Ainslie betreut wird. Skipper Neil Hunter, der gerade einmal 21 Jahre alt ist, durch sein breites Kreuz aber mindestens sechs Jahre älter aussieht, reicht mir die Hand. „Setz dich dort vorn auf das Netz und verschränk die Beine. Beweg dich nicht und fass nichts an!“ Aye aye, Sir! Gäste gehören zwar zum Standard der Extremserie, sind im Zweifel aber eher störend. Selbst im Training, das an diesem Donnerstag vor den ersten zwei Tagesrennen stattfindet, hatte ich das Gefühl, dauerhaft im Weg zu sein.

Angestrengt greife ich mich am Netz fest. Bloß nicht loslassen. Durch ein krächzendes Funkgerät bekommt Elliot Hansen (22) am Steuerruder ein Signal. Plötzlich zählt die fünfköpfige Crew einen Countdown herunter. „Ten, nine, eight ...“, ich habe keine Ahnung, was als Nächstes passiert. „Seven, six, five, four ...“, mein Herz hämmert. „Three, two, one ...“ Ein lautes Tuten. In einem Affenzahn reißen die Segler an den Seilen. Auseinanderhalten kann eine Ahnungslose wie ich das Tauwirrwarr nicht. Ich vermute, dass verschiedene Farben Anfängern dabei helfen. Den Jungs auf dem Katamaran, von denen keiner älter als 22 ist, sind die Handgriffe ins Blut übergegangen. Mehrere Stunden täglich trainieren sie auf dem Wasser. Für eine Mahlzeit bleibt kaum Zeit.

Während an Bord hektisches Durcheinander herrscht und die fünf Männer über das dicke Nylonnetz zum nächsten Manöver flitzen, sitze ich regungslos da. So wie man es mir befohlen hat. Keiner redet ein Wort mit mir. Wir rasen geradezu auf die Kaimauer, die Elbwasser und Cruise Center voneinander abgrenzt. Es scheint fast so, als hätte jemand heimlich den Motor angeworfen. Wie sonst kann ein Boot bei so wenig Wind wie heute eine derartige Beschleunigung aufnehmen?

Aber viel wichtiger ist die Frage: Wann drehen wir endlich ab? Uns trennen nur noch wenige Meter vom Aufprall. Die Videos der kenternden Katamarane spielen sich vor meinem inneren Auge erneut ab. Auf einmal wünsche ich mir die behüteten Kanufahrten aus dem Biber-Camp zurück. „Come on!“, schreit Hansen, und das Boot wendet kurz vor der Steinmauer nach links. Puh, Zeit zum Durchatmen.

Die Crew schaut sich zufrieden an. Und ich kann zum ersten Mal den atemberaubenden Blick genießen. Vor uns erstreckt sich eine Skyline mit Hamburgs schönsten Sehenswürdigkeiten – allen voran die Elbphilharmonie, die nur ein paar Bootslängen von uns entfernt ist. Es fühlt sich an, als würden wir über die Elbe schweben. Ich habe ein kleines Kribbeln im Bauch und wünsche mir jetzt noch schneller zu fahren.

Nach rund 20 Minuten ist mein Ausflug in die Welt des Extremsegelns beendet. „Grinsemann“ winkt mir zu, und ich steige etwas wacklig zurück ins Motorboot.