Hamburg. Der Campus, das neue Nachwuchsleistungszentrum, soll im Sommer 2017 fertig sein. Vereinschef Beiersdorfer hofft auf den Beginn einer Ära

Am Ende seiner Rede fiel Dietmar Beiersdorfer Alexander Otto in die Arme. Der HSV-Chef wusste, bei wem er sich bedanken musste. Mit pathetischen Worten hatte sich Beiersdorfer an den Unternehmer und Mäzen gerichtet: „Ohne dich wäre das nicht möglich gewesen. Du stiftest mit tiefer Liebe und Verbundenheit ein weiteres Stück Identität, die uns auf dem Weg zum Erfolg sehr weiterhelfen wird.“

Das Stück Identität ist der HSV-Campus, das neue Nachwuchsleistungszentrum, das im kommenden Sommer eröffnet werden soll. Am Mittwoch fand im Volkspark das Richtfest statt.

Otto, Milliardär, ECE-Gründer (Einkaufszentren) und ehemaliger HSV-Aufsichtsratschef, hatte das 20-Millionen-Euro-Projekt mit einer privaten Spende von zehn Millionen Euro erst möglich gemacht. In einem Jahr werden 16 Nachwuchsspieler des Vereins in das Internat direkt neben dem Volksparkstadion einziehen. Dann endet die jahrelange Planung mit der Fertigstellung des Baus. „Wir stehen hier im Herzstück unserer Zukunft. Das ist ein echter Meilenstein in der Entwicklung unseres Clubs“, sagte Beiersdorfer. 2012 hatte der HSV im Rahmen einer Jubiläumsanleihe zum 125-jährigen Bestehen 17,5 Millionen Euro von seinen Fans eingesammelt, die der Club aber nicht wie angekündigt für die Umsetzung des Campus-Plans, sondern für laufende Verpflichtungen ausgegeben hatte. Der ehemalige Vorstand um Carl Jarchow wurde vor zwei Jahren von einem Mitglied wegen Zweckentfremdung der Gelder deshalb angezeigt.

Dass der HSV den Campus nun doch realisieren kann, hat er allein Alexander Otto zu verdanken. Entsprechend drehten sich die Danksagungen um den 49-Jährigen. Auch Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) würdigte den Stifter und das Projekt. „Der HSV-Campus ist ein signifikantes Zeichen für die Sportstadt Hamburg“, sagte Grote.

Auf der Mitgliederversammlung im Januar 2015 hatte Otto verkündet, den Bau mit der Spende zu ermöglichen. Die weiteren zehn Millionen Euro für die Nebengebäude und die Sportflächen werden vom HSV zeitlich gestreckt und aus dem laufenden Cashflow finanziert. Die mit sechs Prozent verzinsten 17,5 Millionen Euro aus der Anleihe muss der HSV 2019 an die Fans zurückführen.

Bauherr des neuen Nachwuchsleistungszentrums ist die von Otto und der HSV Fußball AG gegründeten gemeinnützigen HSV-Campus gGmbH. Die Struktur sieht vor, dass die gGmbH – die AG hält 75 Prozent der Anteile, Otto 25 Prozent – als Eigentümer den Campus an die Fußball AG vermietet. Die Überschüsse der Gesellschaft gehen an gemeinnützige Zwecke. „Ich hoffe, der Campus wird die Geburtsstätte von so manchem erfolgreichen Jungprofi der Zukunft“, sagte Otto.

Am Mittwoch trainierte bereits die U 17 mit Trainer Christian Titz neben dem Campus – ein symbolträchtiges Bild, das in den kommenden Jahren Alltag im Volkspark sein wird. Dann trainieren mehr als 100 Spieler von der U 15 bis zur U 21 im Schatten des Volksparkstadions. Neben den 16 Internatsschülern werden im Campus bis zu 30 weitere Schüler betreut.

Maßgeblich entwickelt wurde das Konzept von Bernhard Peters, Nachwuchschef und Direktor Sport des HSV. Der 56-Jährige, der mit U-16-Nationalspieler Izzet Isler nach dem Richtspruch das traditionelle Glas zu Boden warf, hatte die Planung des Internats nach seinem Amtsantritt im August 2014 entscheidend überarbeitet. „Wir hatten lange an der Planung herumgetüftelt“, erzählte Otto. „Dann kam Bernhard Peters, hat die Pläne erst mal zur Seite gelegt und zu uns gesagt: ,Wenn wir das richtig machen wollen, müssen wir noch mal bei null anfangen.‘ Da musste ich ein bisschen schlucken. Doch es hat sich gelohnt.“

Beiersdorfer träumte bereits vor 14 Jahren vom Campus

Dietmar Beiersdorfer, der als HSV-Profi zwischen 1986 und 1992 noch in Norderstedt trainiert hatte, sprach von einem „Traum, der wahr wird“. Als Beiersdorfer 2002 als Sportchef nach Hamburg zurückkehrte, verfolgte er eine Vision. Zunächst machte er den Volkspark zum Trainingszentrum für die Bundes­ligamannschaft. „Schon damals entstand der Traum, für alle Leistungsteams am Stadion ein teamübergreifendes Trainingszentrum zu bauen“, sagte Beiersdorfer. Das Gerüst dieses Traums ist nun entstanden. „Jetzt müssen wir den Bau mit Leben füllen. Der Campus wird uns einen großen Schwung geben.“

Unter anderem soll das 4000 Qua­dratmeter große Gebäude fünf Kabinen, eine Aufwärmhalle und eine Mensa für 70 Personen beinhalten. Dazu kommen Büros sowie Meeting- und Athletikräume. Auf dem Dach des Campus wird es eine Sportfläche für Tennis, Basketball und Paddle-Tennis geben. Auf den vier von künftig sechs Trainingsplätzen rund um die Arena steigen die Jugendmannschaften zur Saison 2017/2018 in die Vorbereitung ein.

Der HSV erhofft sich von der direkten Nachbarschaft zum Stadion bundesweit eine höhere Anziehungskraft für junge Talente. Zudem soll der Zugang zu den Profis für die Nachwuchsspieler motivationssteigernd wirken. „Es soll sich an diesem Ort eine HSV-Fußball-Welt entwickeln: mehr Zusammenhalt, kürzere Wege, bessere Kommunikation“, sagte Beiersdorfer. Otto freut sich auf einen gemeinsamen HSV. „Der Campus gibt die Möglichkeit, Jugend- und Profisport im Verein zu verzahnen.“ Wenn Otto und Beiersdorfer am Mittwoch eines demonstrierten, dann war es Einigkeit. Und die hatte es beim HSV bekanntlich lange nicht gegeben.