Maria Alm. Lasse Sobiech erklärt, warum er dem FC St. Pauli treu bleibt und nicht den schnellsten Weg nach oben sucht

Voller Tatendrang und Vorfreude auf die neue Saison präsentiert sich Innenverteidiger und Führungsspieler Lasse Sobiech in diesen Tagen im Trainingslager des FC St. Pauli in Maria Alm. Die Nasennebenhöhlen-Entzündung, die dem 25-Jährigen zu Beginn der Vorbereitung zugesetzt hatte, ist mittlerweile auskuriert. Im Interview mit dem Abendblatt spricht Sobiech über seine Erwartungen für die kommende Spielzeit.

Deutet sich nach einer Woche im Trainingslager schon ein kleiner Lagerkoller an?

Lasse Sobiech: Nein, es geht noch. Das liegt auch daran, dass wir nicht in einem Hotelkomplex sind, sondern hier im Hüttendorf Maria Alm alles ein bisschen weitläufiger ist. Ich war auch positiv überrascht, wie viel hier im Vorfeld für uns vorbereitet worden ist, zum Beispiel der Kraftraum in einer Garage oder die neuen Eisbecken. Das ist schon cool.

Wie empfinden Sie es, dass die Spieler zu viert oder zu sechst ein Chalet bewohnen?

Als ich das zuerst gehört habe, war ich skeptisch. Dadurch, dass in den Häusern Doppelzimmer sind, in denen man vernünftig schlafen kann, ist es in Ordnung. Und dann ist es natürlich schön, wenn man sich in den Gemeinschaftsräumen trifft. Freitagabend waren wir zu siebt in einem Haus, in dem der Kamin brannte. Das hat schon was und gibt es in dieser Privatsphäre nicht in einem Hotel.

Welchen Eindruck haben Sie von den bisherigen Neuzugängen?

Einen sehr positiven. Wenn ich sehe, wie beispielsweise vorn „Bouha“ (Aziz Bouhaddouz) im Training die Bälle ins Tor haut, freue ich mich darüber. In der vergangenen Saison hätten wir gern ein paar mehr Tore geschossen. Mit ihm haben wir einen „Knipser“ dazubekommen.

Sportchef Thomas Meggle sagt, der Kader hat an Qualität gewonnen im Vergleich zur vergangenen Saison. Sehen Sie das auch so?

Das habe ich schon in der ersten Trainingswoche gedacht und habe mit meinen Mitspielern darüber gesprochen. Ich finde, dass wir uns deutlich verstärkt haben.

Dann muss in der neuen Saison eine Menge drin sein, da Sie zuletzt ja schon Vierter der Zweiten Liga geworden sind.

Es ist schwer zu prognostizieren, wohin der Weg führt, weil die Liga wieder sehr stark und ausgeglichen ist, mit tollen Aufsteigern und sehr starken Absteigern. Für uns wird es darauf ankommen, wieder in den ersten drei bis fünf Spielen einige Punkte zu holen, um uns im oberen Drittel festzubeißen.

Haben Sie sich persönlich etwas für die kommende Saison vorgenommen?

Da gibt es einiges. Zum einen möchte ich wieder mehr Kopfballtore erzielen. In der vergangenen Saison war es nur eins, in der davor aber vier. Ich denke, ich muss mein Timing wieder verbessern, und die Schützen der Ecken und Freistöße müssen die Positionen im Strafraum genauer anvisieren. In der vorletzten Saison habe ich auch viel von den Standards von Dennis Daube profitiert. Immer zu verbessern ist die Qualität des Spielaufbaus, um in dieser Hinsicht variabler zu sein und seine Mitspieler in Szene zu setzen. In der Defensive können wir bei Standards noch besser werden, auch wenn wir bisher nicht so viel zugelassen haben.

Sie gelten als einer der besten Innenverteidiger der Zweiten Liga, in einer Halbjahresrangliste waren Sie sogar ganz vorn. Was bedeutet Ihnen das?

So etwas ehrt mich natürlich. Dafür arbeitet man ja auch. Mein Anspruch ist es auch, in der Zweiten Liga zu den Besten zu gehören. Dann ist es auch schön, wenn so etwas auf dem Papier steht.

An welchem Innenverteidiger können Sie sich orientieren, wem eifern Sie nach?

Für mich ist Jerome Boateng der beste Innenverteidiger der Welt, und zwar mittlerweile nicht nur wegen seiner Zweikampfstärke und seines Tempos, sondern auch vom Spielaufbau her. Er spielt wirklich klasse Pässe, egal ob hoch oder flach.

Wenn man wie Sie in der Zweiten Liga zu den Besten gehört, liegt das Ziel nahe, auch in der höchsten Liga zu spielen. Was ist für Sie der schnellste Weg, dorthin zu kommen?

Hätte ich den schnellsten Weg gewählt, wäre ich jetzt nicht hier. Es gab in den vergangenen Jahren entsprechende Angebote. Das aber ist mir nicht das Allerwichtigste. Ich bin ja auch schon in die Erste Liga gegangen (Fürth und HSV, die Red.) und dann mit Fürth gleich wieder abgestiegen. Mein Ziel muss es dennoch sein, in der Ersten Liga zu spielen. Aber es ist ja nicht ausgeschlossen, dass das mit St. Pauli klappt. Daher habe ich mich auch so entschieden.

Wie wichtig war es bei Ihrer Entscheidung zur Vertragverlängerung, dass sich auch andere Leistungsträger wie Robin Himmelmann, Philipp Ziereis und Christopher Buchtmann entschlossen haben, St. Pauli treu zu bleiben?

Das hat eine entscheidende Rolle gespielt. Bei diesen Spielern weiß man, dass sie Topspieler in der Zweiten Liga sind und sich immer richtig reinhauen.

Wie hat sich Trainer Lienen, der ja im Dezember 2014 als Retter in der Not geholt wurde, angesichts der viel besseren Ausgangslage verändert?

Seine Bilanz hier ist bisher schon sensationell. Er hat uns vom 18. auf den vierten Platz geführt. Aber keiner ruht sich darauf aus. Es ist sehr interessant, wie sich das Trainerteam immer wieder zusammensetzt, auch mit den Ärzten und Physios, und versucht, sich ständig zu verbessern. Wir sehen im Training, wie regelmäßig etwas verändert wird.

Fühlen Sie sich inzwischen als richtiger Hamburger?

Meine Heimat wird immer Dortmund beziehungsweise Schwerte bleiben. Aber schon, als ich 2011 das erste Mal zum FC St. Pauli kam, hatte ich nach drei, vier Monaten das Gefühl, hier richtig zu sein. Der Schlag Mensch in Hamburg gefällt mir einfach, und der Verein mit den Personen, mit denen ich regelmäßig zu tun habe, ebenso. Irgendwie haben wir auch denselben Humor.

Sie haben in der vergangenen Saison in den meisten Spielen die Kapitänsbinde getragen, weil der gewählte Kapitän Sören Gonther länger verletzt war oder manchmal nur eingewechselt wurde. Wären Sie jetzt bereit, auch der „echte“ Kapitän zu werden?

Ich bin da sehr entspannt. Als ich vor einem Jahr vom Trainer neben Sören und „Schnecke“ Kalla auserkoren wurde, die Binde tragen zu können, habe ich mich sehr darüber gefreut. Jetzt muss man sehen, wer auf dem Platz steht und Verantwortung übernehmen kann. Das würde ich gern wieder tun. Aber die wichtigsten Themen werden ohnehin im ganzen Mannschaftsrat besprochen.